Kündigungsschutz wächst vor Wahl

(c) Clemens Fabry
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Betriebsrat. Erst wenn der Wahlvorstand bestellt ist, sind Kandidaten so stark geschützt wie Betriebsräte. Vorher müssten sie eine Motivkündigung glaubhaft machen.

Klagenfurt. Nachdem vorige Woche Vorwürfe medial bekannt wurden, wonach in einem Parlamentsklub angeblich eine Mitarbeiterin gekündigt worden sein soll, weil sie einen Betriebsrat gründen wollte, soll nun ehestmöglich eine Belegschaftsvertretung installiert werden. Die Kündigung von Mitarbeitern, die sich als Betriebsräte engagieren wollen, ist nicht nur politisch, sondern auch rechtlich höchst problematisch.

Es gilt zwar grundsätzlich das Prinzip des freien Kündigungsrechts. Dieses wird aber durch den allgemeinen und den besonderen Kündigungsschutz eingeschränkt. Von den allgemeinen Schutzbestimmungen ist prinzipiell jeder Arbeitnehmer erfasst; für besonders schutzwürdige Personengruppen sieht der Gesetzgeber eine noch stärkere Absicherung vor.

Dies gilt für Mitarbeiter, die einen Betriebsrat gründen wollen, je nach Fortschritt ihrer Bemühungen, in unterschiedlichen Ausprägungen.
Ist bereits ein Wahlvorstand bestellt, genießen Wahlwerber (iSd § 120 Abs 4 Z 2 ArbVG) den besonderen und damit umfassenderen Kündigungsschutz. Dieser entspricht jenem von Betriebsräten und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem die Absicht eines Wahlwerbers, auf einem Wahlvorschlag zu kandidieren, offenkundig wird. Frühest möglicher Zeitpunkt für den Beginn dieses ausgeprägten besonderen Bestandschutzes ist somit die Bestellung des Wahlvorstandes. In diesem Fall ist eine Kündigung nur möglich, wenn zuvor die Zustimmung des Arbeitsgerichts eingeholt wurde.
Bevor ein Wahlvorstand bestellt ist, muss keine vorherige Kündigungszustimmung des Arbeitsgerichts eingeholt werden, wenn sich ein Mitarbeiter betriebsrätlich engagiert. In diesem Fall ist jedoch eine nachträgliche Anfechtung der Kündigung und damit ein wieder „Hineinklagen“ ins Arbeitsverhältnis möglich. Diese Anfechtung aufgrund eines sogenannten verpönten Motivs (§ 105 Abs 3 Z 1 lit e ArbVG: „Mitwirkung oder Kandidatur bei der Betriebsratswahl“) ist möglich, wenn der Arbeitnehmer einen derartigen Grund glaubhaft macht und dem nicht eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein anderes vom Arbeitgeber glaubhaft gemachtes Motiv entgegensteht.

Dieser „schwächere“ Motivkündigungsschutz für engagierte Arbeitnehmer tritt damit bereits im Vorfeld des „stärkeren“ Schutzes nach § 120 ArbVG ein. Und zwar mit jedem Verhalten, das nach seiner äußeren Erscheinungsform als Bestreben anzusehen ist, ein Mandat zu erhalten. Die Äußerung der Absicht einer Kandidatur allein ist zu wenig (VwGH 01/0512/80). Das Verhalten des Arbeitnehmers muss nach außen hin schon gewisse Formen angenommen haben und nicht auf die bloße Äußerung von Wünschen beschränkt sein. Zudem muss es in zeitlicher Nähe zu einer Betriebsratswahl stehen.

Obwohl der umfassende, besondere Kündigungsschutz für Mitarbeiter, die sich im Betriebsrat engagieren, relativ spät einsetzt, kann festgestellt werden, dass schlussendlich alle Initiativen, die Gründung eines Betriebsrates hintanzuhalten, rechtswidrig sind.


Mag. Christoph Herzeg ist Personalleiter bei der Treibacher Industrie AG und Universitätslektor in Innsbruck. office@herzeg.net

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2015)

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