EU-Recht: Mit Beglaubigung eines Anwalts ins Grundbuch?

(c) Michaela Seidler
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OGH könnte mit Anfrage bei EU-Höchstgericht Vorbehalt zugunsten der Notare ins Wanken bringen.

Wien. Dürfen österreichische Gerichte eine Eintragung ins Grundbuch verweigern, weil eine dafür benötigte Unterschrift von einem tschechischen Rechtsanwalt und nicht notariell oder gerichtlich beglaubigt ist? Auf diese Frage läuft ein Vorabentscheidungsersuchen hinaus, das der Oberste Gerichtshof an den Gerichtshof der EU (EuGH) gerichtet hat (5 Ob 21/15x). Je nach Antwort könnte in letzter Konsequenz der Vorbehalt zugunsten der österreichischen Notare ins Wanken kommen.

Die Hälfteeigentümerin einer Liegenschaft in Österreich unterschrieb in Tschechien ein Grundbuchsgesuch wegen eines geplanten Verkaufs ihres Anteils. Ein tschechischer Anwalt verfasste dazu– wie nach tschechischem Recht vorgesehen – eine Erklärung, mit der er die Echtheit ihrer Unterschrift und den Umstand, dass er sich ihre Identität habe nachweisen lassen, bezeugte. All das bestätigte noch der Vorstand der tschechischen Anwaltskammer mit einer Endbeglaubigung.

Das Bezirksgericht Freistadt verweigerte allerdings die von der Frau beantragte Bewilligung der Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung. Denn diese sei nur möglich, wenn die Unterschrift auf dem Gesuch notariell oder gerichtlich beglaubigt sei. Auch das Landesgericht Linz sah die inländischen Formerfordernisse als nicht erfüllt an.

Tatsächlich erfasst ein Vertrag Tschechien–Österreich über die Anerkennung von Urkunden nicht die Beglaubigung durch Anwälte. Der OGH fragt allerdings in Luxemburg nach, ob mit der Nichtanerkennung die Dienstleistungsrichtlinie für Rechtsanwälte (von der Notare ausgenommen sind) oder die primärrechtliche Dienstleistungsfreiheit verletzt ist. Würde der EuGH diese Frage bejahen und damit zugunsten einer Anerkennung der ausländischen anwaltlichen Beglaubigung entscheiden, wäre als Nächstes zu prüfen, ob österreichische Anwälte gegenüber Kollegen im Ausland einer Inländerdiskriminierung unterliegen. (kom)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2015)

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