Böhmdorfer: „Gerichtskosten sind eine oft unüberwindliche Hürde“

(c) Michaela Bruckberger
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Anlässlich der Alpbacher Rechtsgespräche kritisiert Ex-Justizminister Böhmdorfer im „Presse“-Gespräch die Gerichtsgebühren.

Wien. Ungleichheit im Justizsystem: Das ist eines der Themen, mit denen sich die am Mittwoch und Donnerstag stattfindenden Rechtsgespräche beim Europäischen Forum Alpbach beschäftigen werden. Passend zum Generalthema sollen die Rechtsgespräche klären, wo das Recht Ungleichheit schafft und was es zu deren Bekämpfung zu leisten vermag. Einer der Referenten, der Anwalt und ehemalige Justizminister Dieter Böhmdorfer, ortet gravierende Defizite beim Zugang zum Recht, wobei er im Gespräch mit der „Presse“ unter anderem die Gerichtsgebühren nennt.

Böhmdorfer, 2000 bis 2004 von den Freiheitlichen nominierter Justizminister von Schwarz-Blau, sieht in den Gerichtsgebühren „eine oft unüberwindliche Hürde zum vernünftigen Zugang zum Recht“. Wer in einem Prozess über eine Million Euro als Privater oder Unternehmer eine Revision an den Obersten Gerichtshof richte, müsse vorweg 29.727Euro an Pauschalkosten überweisen (letztlich zu tragen von der unterlegenen Partei). Wenn der Referent beim OGH zehn Stunden daran arbeitet, ergebe das einen Stundensatz der Republik von 2972,70 Euro.

Dabei sei man oft gezwungen, das Höchstgericht anzurufen, weil dieses in vielen Fragen keine einheitliche Linie erkennen lasse. Böhmdorfer kritisiert, dass der OGH gefahrlos falsche Entscheidungen treffen könne – und schlägt als Abhilfe vor, Amtshaftungsansprüche auch gegen Entscheidungen des Höchstgerichts zu ermöglichen. „Das würde den Sorgfaltslevel der geschätzten Hofrätinnen und Hofräte des OGH erhöhen.“ Als weitere Hürden beim Zugang zum Recht sieht der Anwalt eine veraltete Gerichtsorganisation; er würde die Bezirksgerichte in die Landesgerichte überführen – und kritisiert die Landeshauptleute, weil diese das verhinderten.

Böhmdorfer stößt sich auch an der überlangen Dauer von Verfahren: 20% aller Zivilprozesse seien in erster Instanz länger als drei Jahre anhängig, wer die Instanzen durchlaufen müsse, könne mit einer Dauer von fünf bis sechs Jahren rechnen. „Das schädigt nicht nur die einzelnen Personen, sondern die Volkswirtschaft schlechthin.“ Auch in Strafsachen mehrten sich die überlangen Verfahren: Die Betroffenen würden schon allein durch die Dauer persönlich und wirtschaftlich ruiniert.

Streitigkeiten zwischen Unternehmen könnten laut Böhmdorfer rascher geklärt werden, stünde dafür eine hochwertige staatliche Schiedsgerichtsbarkeit mit Fachsenaten und verkürztem Rechtsmittelverfahren bereit; diese hätte sowohl Hoheitskraft (wäre also auch ohne den Willen beider Parteien einzuschalten) als auch Fachkompetenz. Das mögliche Gegenargument, mit einer extra zu bezahlenden schnelleren Justiz entstünde eine Zweiklassengesellschaft, lässt Böhmdorfer nicht gelten: „Das ist Gleichheit auf einem höheren Niveau.“

In Alpbach geht es auch um Sachwalterrecht, geistiges Eigentum, Schutz Schwächerer und Menschenrechte. Forum-Vizepräsident Caspar Einem, Vordenker der Rechtsgespräche, kann aus privaten Gründen nicht dabei sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2015)

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