Wohnen: Schweigende Menge stimmt nicht zu

(c) Fabry Clemens
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Auf einer Versammlung wurde Mietern gesagt, dass sie künftig für Klimaanlagen zahlen müssten. Niemand protestierte. Zwei Instanzen werteten das als Zustimmung, der OGH aber nicht.

Wien. Verträge kann man grundsätzlich nicht nur durch ausdrückliche Willensbekundung schließen, sondern auch konkludent. Also, indem man stillschweigend einer Sache zustimmt. Doch ganz so schnell kann man dann Verträge auch nicht vereinbaren oder ändern, wie ein aktuelles Urteil zeigt.

Streitpunkt war eine Versammlung, zu der die Mieter eines Hauses geladen worden waren. Die Vermieter informierten dabei über die geplanten Sanierungsmaßnahmen. Den Mietern wurde erklärt, dass die alten Klimageräte nicht mit der nun geplanten Fassade kompatibel seien. Wer sich als Mieter weiterhin Klimaanlagen wünsche, müsse diese selber bezahlen, zumal die Kosten für die Sanierung schon hoch genug seien. Dann wurde gefragt, ob jemand Widerspruch erhebe. Worauf sich niemand meldete.

Auch der Mieter eines Geschäftsraums in dem Haus (eine GmbH) war bei dieser Versammlung im April vertreten. Der Repräsentant schwieg zu den neuen Regeln. Doch dann kam der Sommer. In den Räumlichkeiten herrschten nun fast immer mehr als 30 Grad Celsius. Das ließ die Mieterseite nicht länger kalt.

Weniger Miete gerechtfertigt?

Sie reagierte, indem sie den Mietzins für August und September um 25 Prozent minderte. Schließlich fehle nun die Klimaanlage, die ursprünglich dem Preis zugrunde lag. Die Vermieter sahen das anders: Bei der Besprechung sei vereinbart worden, dass künftig die Mieter selber Klimageräte kaufen müssten, wenn sie welche wollten. Dementsprechend wurden die offenen Beiträge eingefordert. Zudem brachten die Vermieter Räumungsklage ein.

Das Bezirksgericht Mödling beschäftigte sich zunächst einmal nur mit der Miethöhe. Und urteilte, dass der Mieter sehr wohl auch ohne Klimaanlage die volle Miete zahlen müssten. Bei der Besprechung im April sei es zu einer konkludenten Zustimmung gekommen. Die Vermieter hätten „davon ausgehen können, dass nach einer Frage nach Widersprüchen solche auch geäußert würden, andernfalls Zustimmung vorliege“.

Das Landesgericht Wiener Neustadt sah das ähnlich. Die Ankündigung der Vermieter, dass künftig die Mieter für Klimageräte zahlen müssten, stelle ein Anbot zur Vertragsänderung dar. Da die Zahl der Adressaten dieser Botschaft (es waren vier Mieter anwesend) überschaubar war, „sei nach Treu und Glauben zu erwarten, dass im Falle einer Nichtzustimmung Widerspruch erhoben werde“. Das Schweigen der Mieter müsse man daher als Zustimmung werten.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) widersprach: Es habe sich nur um eine Informationsveranstaltung im Haus gehandelt. Die Erklärung der Vermieter, nicht für die neuen Klimageräte aufkommen zu wollen, sei „nur eine Darstellung der Absichten des Vermieters“. Darin dürfe man kein Anbot zu einer Vertragsänderung sehen, weswegen es auch gar nicht mehr darauf ankomme, wie die Adressaten reagieren.

Nur Aufforderung zu Debatte

„Einer solchen, nicht an eine Einzelperson gerichteten Erklärung bei einer Informationsveranstaltung kommt aus objektiver Sicht ebenfalls nur Informationscharakter über die Absichten der Vermieter zu“, sagten die Höchstrichter wörtlich. Insbesondere, da die Erklärung die Mieter unterschiedlich betraf, denn manche hatten nie eine Klimaanlage. Die Frage, ob es Widerspruch gibt, „bedeutet letztlich nur die Aufforderung, in eine Diskussion einzutreten“, sagt der OGH (9 Ob 23/15w). Nicht aber, dass man jetzt eine verbindliche Äußerung zu einer beabsichtigten Vertragsänderung abgeben müsse.

Der OGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf. Das Bezirksgericht muss nun im Lichte der höchstrichterlichen Erwägungen neu entscheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2015)

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