Justizressort plant Senkung einzelner Gerichtsgebühren

(c) BilderBox (BilderBox.com)
  • Drucken

Kosten bestimmter Außerstreit-Rechtsmittel laut VfGH gleichheitswidrig.

Wien. Einzelne Gerichtsgebühren dürften bald sinken. Der Grund dafür ist eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), der eine Tarifpost im Gerichtsgebührengesetz mit Wirkung Ende 2015 aufgehoben hat. Es geht um eine mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 eingeführte Gebühr für Rechtsmittel in Außerstreitsachen, die offiziell der „Annäherung an die Kostenwahrheit“ dienen, zugleich aber Mehreinnahmen in Millionenhöhe generieren sollte. Die Gebühr erreicht mitunter groteske Höhen und ist laut VfGH gleichheitswidrig. Dem Vernehmen nach will das Justizministerium zugleich auch Gebühren in Exekutions- und Insolvenzverfahren senken.

Der Oberste Gerichtshof brachte den Stein ins Rollen. Anlässlich eines Verfahrens über die Entschädigung eines Grundeigentümers im Zusammenhang mit der Verlängerung der U2 nach Aspern beantragte der OGH bei den Verfassungsrichtern, die Tarifpost 12a aufzuheben. Der damals vom OGH zu entscheidende Fall machte die Problematik sehr deutlich: Für den Bau der U-Bahn wurde ein Gärtner enteignet; das Landesgericht für Zivilrechtssachen setzte die Entschädigung für die Liegenschaft mit 1.167.300 Euro fest. Die Wiener Linien erhoben dagegen als Enteignungswerber bloß deshalb Rekurs, weil für die vorübergehende Inanspruchnahme eines Grundstücksteils 6700 statt nur 700 Euro zugesprochen wurden. Der Gärtner wiederum wollte weitere 90.189 Euro an Wiederbeschaffungskosten.

Der OGH korrigierte die Entschädigung auf 1.257.489 Euro. Daraus ergaben sich nach Tarifpost 12a Gerichtsgebühren von 56.587Euro allein für die dritte Instanz. Denn diese Gebühren werden, unabhängig davon, wie viel in der jeweiligen Instanz noch auf dem Spiel steht, an der gesamten Entschädigung bemessen. Die Gebühr in zweiter Instanz beträgt immer das Doppelte, jene in dritter Instanz das Dreifache der in erster Instanz vorgesehenen Pauschalgebühr (1,5%).

Zehnmal teurer als Zivilprozess

Zum Vergleich: In einem Zivilprozess, in dem in dritter Instanz noch um 70.000 bis 140.000 Euro gestritten wird, wären nur 5450 Euro an Gebühren zu zahlen, also nicht einmal ein Zehntel des Betrags im Außerstreitverfahren. Diesen muss übrigens stets der Enteignungswerber zahlen, sobald der Enteignete auch nur zu einem kleinen Teil mit seinem Rechtsmittel durchdringt.

Für den VfGH verletzt Tarifpost 12a den Gleichheitsgrundsatz, weil sie keine Rücksicht darauf nimmt, wie groß das Rechtsmittelinteresse ist. Der Gerichtshof bezieht sich nur auf jene Verfahrensarten, in denen die erstinstanzliche Gebühr in Prozent bemessen wird; das geschieht außer bei der Enteignungsentschädigung auch in Unterhalts- und Verlassenschaftsverfahren oder bei der Eintragung ins Grundbuch. Nicht erfasst sind Verfahren, in denen in erster Instanz – meist moderate – feste Gebühren gelten (z.B. 320 Euro für die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens).

Das Justizressort will nun das Gesetz so reparieren, dass der Kostenauftrieb in den Instanzen deutlich verringert wird. Daneben sollen auch Gebühren in Exekutions- und Insolvenzverfahren gesenkt werden. Weil die politische „Spiegelung“ mit dem Gesundheitsressort noch läuft, hält sich das Ministerium mit Auskünften zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.