Tee trinken und die Zeit dehnen

Damaszener Rosenknospe vor dem Aufblühen.
Damaszener Rosenknospe vor dem Aufblühen.(c) Ute Woltron
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Es muss nicht immer Pfefferminze sein. Die schier grenzenlose Botanik des Globus bietet zahllose Möglichkeiten, ausgezeichnete Tees aufzubrühen. Hier nur drei nicht ganz gängige Beispiele für ausgefallene Teekräuter.

Es geht wieder verstärkt los mit dem Teetrinken. Erstens sind wir nunmehr wirklich in der kühlen Saison angekommen und wollen innerlich gewärmt werden. Zweitens rinnen allerorten die Nasen, schmerzen die Gurgeln, Zustände, die Tee vielleicht nicht immer kurieren, doch zumindest sehr tröstend behandeln kann. Drittens, und das ist der wichtigste Punkt, ist das Teetrinken eine jahrtausendealte Kulturtechnik, der man sich mit Hingabe und möglichst großer Aufmerksamkeit für jedes Detail widmen kann, vorausgesetzt, man verfügt über ein genusstalentiertes Naturell. Schließlich geht es nicht nur darum, warme Flüssigkeiten in sich hineinzugießen, sondern auch darum, einen bestimmten Augenblick zeremoniell einzufangen und zu feiern.

Dazu muss man kein Zen-Schüler sein, sondern benötigt lediglich ein bisschen Begabung für den Müßiggang im Moment, für Freude an schönen Utensilien und – im besten aller Fälle – für das Kultivieren ausgefallener Pflanzen, die sich aufbrühen und als Tee verkosten lassen. Üben Sie alle drei Zutaten, und Sie werden ohne großen Aufwand ein noch glücklicherer Mensch werden.

Von all den zahllosen, in jüngeren Jahren als gute Teepflanzen gepriesenen Novitäten in den Gartenmärkten haben sich allerdings, wenn man ehrlich sein will, nur wenige als uneingeschränkt eines erfahrenen Teelukullus würdig erwiesen. Verschiedenste als Teepflanzen gepriesene exotische Salvienarten etwa bleiben aromatisch eher in der Unterliga, obwohl sie hübsch anzuschauen sind und deswegen trotzdem unbedingt angepflanzt werden sollten. Der Honigsalbei beispielsweise, Salvia nevadensis, ist wunderschön, kann aber geschmacklich genau gar nichts.

Raffiniertes Aroma. In einer vergleichsweise völlig anderen Liga spielt da schon die Mexikanische Agastache, die auch unter Mexikanischer Riesenysop firmiert: was für eine geniale Entdeckung für Blumentopf, Gartenbeet und Teekanne! War schon der vor Jahren entdeckte Anisysop, Agastache foeniculum, eine olfaktorisch-kulinarische Offenbarung, so schlägt die mexikanische Variante alle anderen Agastachen in Sachen Aromaintensität und -raffinesse noch einmal haushoch.

Die Pflanze ist zudem eine wochenlang blühende leuchtend rot-lila Augenweide. Sie ist bei einer Höhe von bis zu 120 Zentimetern nicht gerade standfest, kann aber im Topf neckisch mit Stab gestützt oder im Beet als Zwischenpflanze eingesetzt werden. Die Überwinterung erfolgt auf jeden Fall im Topf, die Pflanze ist nur bis höchstens minus fünf Grad winterhart. Frisch geerntet sind die Blätter wahre Duftbomben. Augen zu und hinein mit der Nase in diese Blütenbüschel.

Eine weitere königliche und kulinarisch ganz und gar überraschende Pflanze ist optisch eigentlich nicht sehr attraktiv, ja nachgerade unscheinbar, doch ändert sich die Einstellung zu ihr augenblicklich, wenn man ein Blatt abreißt, ein bisschen darauf herumreibt und dann daran riecht: Wahnsinn! Wunderbar!

Aus den Blättern des Betelpfeffers, Piper betle, steigt ein konzentrierter Wohlgeruch auf, der sich mit nichts anderem vergleichen lässt. Sehr, sehr teure und gute Aromaöle in exklusiven Asia-Spas wollen ungefähr so riechen wie diese Blätter.


Der Teevorschlag. Auf Betelnüssen und den Blättern sowie etwas gelöschtem Kalk kaut gern ein Gutteil der asiatischen Bevölkerung in Form des sogenannten Betelpriems herum, so wie man hierzulande Kaffee trinkt. In der ayurvedischen Medizin werden die Blätter jedoch aufgrund zahlloser ihnen zugeschriebener heilender Wirkungen geschätzt und beispielsweise auch als Tee getrunken.

Dazu knipst man ein paar Blätter der ab Herbst sowieso nur als Zimmerpflanze überlebenden Pfefferart ab, schneidet sie fein nudelig und gießt sie auf. Schmeckt nicht so intensiv, wie das Blatt duftet, doch ebenfalls sehr gut. Wer eine Betelpfefferpflanze ergattert: nicht zu viel gießen, das hasst sie, und an einen sehr hellen Platz ohne pralle Mittagssonne stellen.

Da aller guten Dinge drei sind, kommt jetzt noch ein Teevorschlag, diesmal eine gewagte, überraschend wohlschmeckende Kombination, die vorausblickendes Gärtnern erfordert. Sie benötigen dafür eine Damaszener Rose und einen Ingwerstock. Im Frühling ernten Sie dann die Rosenknospen kurz vor ihrem Aufblühen und trocknen sie. Der Ingwer ist jetzt gerade erntereif. Beides gemeinsam aufbrühen. Verfügen Sie weder über Rose noch Ingwer, stellt das dennoch kein Problem dar, denn das scharfwürzige Rhizom gibt es mittlerweile überall, und die getrockneten Rosenknospen bekommt man auch im Bioladen. Es ist nur viel lustiger, die Zutaten selbst heranzuziehen, weil man so das Zeremoniell des Augenblicks so herrlich ausdehnen kann.

Lexikon

Mexikanische Agastache
Sowohl Blüten als auch Blätter liefern, insbesondere frisch geerntet, viel Aroma, das entfernt an eine Kombination von Zitrus und Anis erinnert.

Betelpfeffer
Gehört zu den Pfeffergewächsen und klettert dementsprechend gern. Er wächst im Blumentopf nur einen Meter hoch, gilt als Mittel gegen Kopf- und Zahnschmerz, Arthritis et al und wirkt stark antiseptisch.

Damaszener Rose
Sie ist die ursprüngliche, extrem intensiv duftende Rose aus Kleinasien, die schon in der Antike berühmt war. Es gibt mehrere Sorten, die meisten blühen nur einmal jährlich, dafür üppigst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2015)

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