Illegale Polizeiaktion: Fan in Hooligan-Datei statt im Stadion

FUSSBALL - Rapid vs Nuernberg, Testspiel
FUSSBALL - Rapid vs Nuernberg, Testspiel(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Philipp Brem)
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Rapid-Fan musste Jahreskarte vor Happel-Stadion abgeben. Polizei stützte sich auf Eintrag in Gewalttäterdatei: illegal, denn früheres Strafverfahren war schon eingestellt.

Wien. Als Rapid-Fan M. am 9. November 2014 zum 311. Derby der Wiener Austria gegen Rapid das Happel-Stadion betreten wollte, wusste er nicht, wie ihm geschah: Zusammen mit rund 20 anderen wurde er von Polizisten der Einsatzgruppe Delfin aufgefordert, sich auszuweisen. Wenig später teilte ihm eine Polizistin mit, dass er Stadionverbot habe und die verordnete Sicherheitszone um das Stadion verlassen müsse. Seine Eintrittskarte in Form eines Jahres-Abos für den Heimsektor von Rapid war er los.

Das damalige Match galt als ein Risikospiel, was die Polizei zusätzlich sensibilisierte. Die Beamten wollten beobachtet haben, wie sich Fans der Gruppe zum Stadionzaun gedrängt haben; sie hätten anderen, die bereits drinnen waren, verdächtige Gegenstände durchgereicht.

Zwar sollte es dann im Lauf des Spiels tatsächlich zu Zwischenfällen mit Rauchbomben, Knallkörpern und Leuchtraketen kommen, frei nach dem in Stadien beliebten Slogan „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“. Weder bei M. noch – nach seinen Wahrnehmungen – bei anderen in der Gruppe wurden jedoch pyrotechnische Gegenstände gefunden. Allerdings fand die Polizei einen Eintrag in der sogenannten Hooligan-Datei, einem Verzeichnis von Gewalttätern bei Sportgroßveranstaltungen.

„Kein Grund zur Verfolgung“

M. beschwerte sich (vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte) beim Verwaltungsgericht Wien über das Einschreiten der Polizei. Erst im Zuge des Verfahrens stellte sich heraus, dass der Vermerk in der Datei auf einen früheren Vorfall im Hanappi-Stadion zurückging. M. wurde nämlich verdächtigt, im Anschluss an ein Freundschaftsspiel Rapid gegen Nürnberg am 7. September 2013 an Ausschreitungen beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren gegen ihn aber im Mai 2014 ein. Es bestand „kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten“, wie es im Gesetz heißt.

In der Gewalttäterdatei fand die Einstellung allerdings keinerlei Niederschlag – im Gegenteil: M. blieb unverändert darin stehen. Das war rechtswidrig. Denn: „Sobald das Verfahren – wie im vorliegenden Fall durch die Staatsanwaltschaft – eingestellt wird, ist auch der Eintrag in der Gewalttäterdatei zu löschen“, entschied das Verwaltungsgericht (VGW-102/ 013/34924/2014).

Nach dem Sicherheitspolizeigesetz dürfen die Daten unter anderem von solchen Personen registriert werden, die im Zusammenhang mit einer Sportgroßveranstaltung einen gefährlichen Angriff gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum begangen haben und bei denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie es wieder tun werden. Laut Verwaltungsgericht setzt das zwar nicht zwangsläufig eine rechtskräftige Verurteilung voraus; von einem gefährlichen Angriff könne aber nur ausgegangen werden, wenn ein Strafverfahren eingeleitet wurde und noch anhängig ist.

Mit der Einstellung des Verfahrens wird der Vermerk jedoch rechtswidrig – und damit auch die Wegweisung am 9.November 2014. Der Bund muss M. nun 2397,20 Euro Aufwandersatz leisten, die Polizei muss ihn aus der Datei löschen und ihm das Jahres-Abo zurückgeben. Für dessen Abnahme gibt es überhaupt keine Rechtsgrundlage.

Ein Sprecher des Innenministeriums räumt auf Anfrage der „Presse“ ein, dass hier Fehler passiert seien. Die Vormerkung sei irrtümlich nicht gelöscht worden. Derzeit (Stand Juni 2015) sind 55 Personen in der Hooligan-Datei vermerkt. M. hat beim Match damals nicht viel versäumt: Die Austria gewann das Derby 3:2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2015)

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