EM-Quali: Das Feilschen um Russlands Heilsbringer

Große Freude bei Leonid Sluzki.
Große Freude bei Leonid Sluzki.(c) AFP (KIRILL KUDRYAVTSEV)
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Leonid Sluzki führte die Sbornaja zur EM-Endrunde und stellte den russischen Verband vor ein Dilemma: Der Vertrag mit dem Erfolgscoach lief mit Qualifikationsende aus, ZSKA Moskau möchte ihn nicht freigeben.

Moskau. Russland jubelte in Moskau über die Krönung des starken Endspurts. Die Sbornaja feierte mit dem abschließenden 2:0 gegen Montenegro den vierten Sieg in Folge unter Neo-Trainer Leonid Sluzki und sicherte sich mit zwei Punkten Vorsprung auf Schweden das zweite EM-Ticket neben Österreich. „Der letzte Schritt ist immer der schwerste, aber meine Spieler waren großartig. Sie haben eine Qualifikation, die hoffnungslos erschienen ist, noch gedreht“, sagte Sluzki, der von den russischen Fans nun als Heilsbringer gefeiert wird.

Erst Anfang August hat das heimische Trainereigengewächs, das bislang ausschließlich in Russland gearbeitet hat und neben dem Nationalteam auch ZSKA Moskau betreut, die Nachfolge des glücklosen Starcoaches Fabio Capello angetreten. Zu diesem Zeitpunkt war die EM-Chance mit vier Punkten Rückstand auf Schweden in weiter Ferne und die Stimmung im Land drei Jahre vor der Heim-WM auf dem Tiefpunkt angekommen. Als Retter wurde Sluzki auserkoren – als erste heimische Lösung seit neun Jahren. „Es war unmöglich, dieses Angebot abzulehnen“, erklärte der ehemalige Torhüter, der seine aktive Karriere mit 19 Jahren wegen einer Knieverletzung beenden musste.

Als erste Maßnahme hat Sluzki die von Capello forcierte Verjüngung des Kaders beendet, er bevorzugt arrivierte Kräfte. Für das vorgezogene Endspiel gegen Schweden war keiner der einberufenen Spieler jünger als 24, Verteidiger Oleg Kuzmin kam mit 34 zu seinem Teamdebüt. Der Kasan-Profi nützte seine Chance und spielte sich in die Mannschaft. Auch in der abschließenden Partie gegen Montenegro stand er in der Startelf und erzielte die erlösende 1:0-Führung. „Wenn mir jemand vor zwei Monaten gesagt hätte, dass ich in diesem wichtigen Spiel treffe, hätte ich es nicht geglaubt“, meinte Kuzmin.

Trotz des großen Erfolges ist Sluzkis Zukunft offen. Sein Vertrag ist mit dem Ende der Qualifikation ausgelaufen, der Verband trachtet nach der Verlängerung. Verbandschef und Sportminister Witali Mutko hat allerdings bereits klargestellt, dass Sluzki dafür den Trainerposten bei ZSKA niederlegen müsste. Sluzki selbst wollte sich vorerst noch nicht dazu äußern.

Allerdings wird der 44-Jährige auch beim ehemaligen Armeeklub sehr geschätzt: Zwei Meistertitel und zwei Cupsiege hat Sluzki seit Amtsantritt 2009 geholt, aktuell liegt ZSKA an der Tabellenspitze. Für Klubchef Jewgenij Giner steht sein Verbleib – auch in Doppelfunktion – bis Saisonende daher außer Frage. Andernfalls müsse der Verband tief in die Tasche greifen, um den bis 2019 laufenden Vertrag vorzeitig zu lösen. Giners erste Forderung belief sich auf die stattliche Summe von einer Milliarde Dollar . . . (swi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2015)

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