Gebietsschutz: Ja zu neuer Apotheke nach EuGH-Urteil voreilig

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Der EU-Gerichtshof erklärte im Vorjahr die Bedarfsprüfung für Apotheken für teilweise unionsrechtswidrig. Eine neue Betriebsstätte in Oberösterreich wurde dann aber vorschnell bewilligt, sagt jetzt der Verwaltungsgerichtshof.

Wien. Als vor eindreiviertel Jahren der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sein Urteil „Sokoll-Seebacher“ (C-367/12) fällte, sahen manche schon den Gebietsschutz für Apotheken gefallen. Der Gerichtshof in Luxemburg entschied damals nämlich: Eine starre Grenze von 5500 Personen, die einer Apotheke in Österreich als potenzielle Kunden verbleiben müssen, ehe eine neue bewilligt wird, verstößt gegen die Niederlassungsfreiheit.

Wie eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zeigt, bleibt der Gebietsschutz aber trotzdem anwendbar. Der VwGH hat deshalb die Bewilligung der seinerzeit umstrittenen neuen Apotheke im oberösterreichischen Pinsdorf durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aufgehoben. Der Bedarf nach der Apotheke ist daher neuerlich zu prüfen. Sollten sich die faktischen Voraussetzungen seither nicht deutlich geändert haben, dürfte der geplante Standort doch nicht zu bewilligen sein.

Bei der Organisation der Gesundheitsversorgung haben die EU-Staaten freiere Hand, was Beschränkungen der EU-Grundfreiheiten betrifft, erläutert Rechtsanwalt Christian F. Schneider (BPV Hügel) der „Presse“. Die 5500-Personen-Grenze ist laut EuGH nur in jenen Fällen EU-rechtswidrig, in denen sie verhindert, dass für Menschen in ländlichen und abgelegenen Gebieten Arzneimittel in zumutbarer Entfernung erreichbar sind. Es sollen also auch Apotheken möglich sein, die wegen ihrer besonderen geografischen Lage weniger als 5500 Kunden zu versorgen haben.

Der VwGH merkt an, dass „nach den bisherigen Verfahrensergebnissen die beantragte Apotheke in Pinsdorf für die Bevölkerung in ländlichen und abgelegenen Gebieten keinerlei Vorteile“ brächte. Ein Blick auf die Landkarte zeige nämlich, dass die neu beantragte Apotheke nur 5,3 Kilometer von jener alteingesessenen in Altmünster entfernt sei, die sich gegen die Neuerrichtung wehrte. Die nächstgelegene Apotheke (in Gmunden) ist gar nur 2,5 Straßenkilometer weit weg. Um diese Distanz kann sich der Anfahrtsweg von Kunden also bestenfalls verringern. „Es ist von vornherein auszuschließen, dass dies erforderlich ist, um für die Bevölkerung eines bestimmten abgelegenen ländlichen Gebiets einen zumutbaren Anfahrtsweg zu gewährleisten“, schließt der VwGH (Ro 2014/10/0081).

Das Landesverwaltungsgericht wollte es – in einem weiteren Apothekenfall – offenbar noch genauer wissen, wie es um das Gebot steht, EU-rechtliche Vorgaben umzusetzen. Es musste sich durch einen Beschluss – kein Urteil – sagen lassen: Schon aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH ergebe sich klar, dass die Gerichte alles tun müssten, um dem EU-Recht zum Durchbruch zu verhelfen und entgegenstehendes nationales Recht nicht anzuwenden (C 581/14).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2015)

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