Schmerzengeld: Mehr Hürden für verletzte Patienten

(c) FABRY Clemens
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Ab 2016 wird die Straffreiheit für Ärzte bei leicht fahrlässiger Körperverletzung ausgebaut. Verletzte werden aber nun öfter allein um Schadenersatz kämpfen müssen.

Wien. Die per Jahreswechsel in Kraft tretende Reform des Strafgesetzbuches bringt auch neue Regeln für Ärzte: Sie werden künftig strafrechtlich weniger leicht zur Verantwortung gezogen. Konkret sind Ärzte dann nicht mehr strafbar, wenn sie ihre Patienten leicht fahrlässig am Körper verletzen und daraus keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als 24 Tagen resultiert. Auch schwere Körperverletzungen – etwa Knochenbrüche, Bänderrisse oder Zahnverluste – blieben dann straffrei, wenn sie nicht länger als dreieinhalb Wochen den Patienten an der Gesundheit schädigen, sagt Konstantin Köck. Der Rechtsanwalt und Experte für dieses Fachgebiet sieht die Reform im Gespräch mit der „Presse“ zweischneidig.

„Die Novellierung ist verständlich, weil die Ärzte immer Gefahr laufen, vor Gericht zu kommen, wenn sie Patienten behandeln“, sagt Köck. Andererseits würden verletzte Patienten nun aber öfter auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden (die weitergehende Straffreiheit ändert ja nichts an Schadenersatzansprüchen). „Statt das bisher von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten abzuwarten, werden sie in Zukunft wohl selber die Kosten für die Einholung eines solchen vorschießen müssen“ analysiert der Anwalt.

Frist immer weiter ausgeweitet

Denn selbst wenn das strafrechtliche Verfahren bisher öfters mit einer Diversion geendet habe (Geldbuße, mit der sich der Täter eine strafrechtliche Verurteilung erspart), hätten die Staatsanwälte bereits zuvor ein medizinisches Gutachten eingeholt. Zudem falle für den Verletzten ohne Strafverfolgung die Möglichkeit weg, zivilrechtliche Ansprüche schon im Wege eines Privatbeteiligtenanschlusses im Strafverfahren geltend zu machen. Der Alleingang vor Gerichten birgt zudem auch ein prozessuales Kostenrisiko für den Verletzten.

Und die neue Regelung für Ärzte könnte aus Spargründen (der Staat spart sich Gutachten und Strafverfolgung) in Hinkunft auch auf alle Bürger ausgedehnt werden, meint Köck. Zumindest legt das ein Blick auf die Historie nahe.

Bis 2011 war die Rechtslage so, dass Bürger bei leicht fahrlässigen Körperverletzungen nicht zu bestrafen waren, wenn die Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als dreitägiger Dauer zur Folge hatte. Für Ärzte galt statt der drei Tage eine 14-Tage-Frist.

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 wurde die Differenzierung zwischen Medizinern und anderen Personen aufgehoben. Es gilt nun für alle gleichermaßen, dass sie bei fahrlässig herbeigeführten Körperverletzungen straffrei bleiben, wenn das Opfer keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als vierzehntägiger Dauer erleidet – und den Täter kein schweres Verschulden trifft. Die damalige Novelle unter Justizministerin Claudia Bandion-Ortner war durchaus umstritten, verwies sie doch etwa Opfer von Verkehrsunfällen verstärkt auf den Zivilrechtsweg. Auch, dass das justizpolitische Gesetz damals in einem Budgetgesetz „versteckt“ wurde, erregte Unmut. Das Ministerium rechtfertigte diese Einordnung aber damit, dass die Novelle Geld spare.

Mediziner-Regel bald für alle?

Ab 2016 kommt es nun eben wieder zu einer Differenzierung zwischen Ärzten und anderen Personen, für die die alten Regeln weitergelten. „Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Rahmen einer der nächsten Budgetbegleitgesetze diese Differenzierung wieder zu Gunsten der Allgemeinheit und der Staatskasse beseitigen wird“, meint Experte Köck. „Dieses Spiel kann natürlich beliebig oft fortgesetzt werden. Es stellt sich nur die Frage, bei welcher Dauer die Grenze des Verträglichen erreicht ist.“

AUF EINEN BLICK

Die Strafrechtsnovelle bringt Erleichterungen für Ärzte. Sie sind nicht mehr strafbar, wenn sie ihre Patienten leicht fahrlässig am Körper verletzen und daraus keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als 24 Tagen resultiert. Für Patienten bedeutet dies aber, dass sie dann auch keine Hilfe vom Staatsanwalt mehr bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2015)

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