Schlepperei: "Adäquater Fuhrlohn undenkbar"

Ein Aufgriff im Sommer 2015 im Burgenland
Ein Aufgriff im Sommer 2015 im Burgenland(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Der Fahrer eines Kastenwagens, der 47 Flüchtlinge auf engstem Raum transportiert hat, will bloß nach Taxi-Art angemessen entlohnt worden sein.

Wien. Wer in einem Kastenwagen eng zusammengepferchte Flüchtlinge transportiert, kann sich niemals damit rechtfertigen, bloß einen „adäquaten Fuhrlohn“ kassiert zu haben. Das betont der Oberste Gerichtshof (OGH) in einer Entscheidung, mit der die Nichtigkeitsbeschwerde eines Schleppers gegen seine Verurteilung verworfen wurde. Der Mann hatte den Vorsatz bestritten, sich an dem Transport unrechtmäßig zu bereichern.

Der Fall erinnert an jenen auf der A4 abgestellten Kühlwagen, in dem im vergangenen August 71 Flüchtlinge qualvoll gestorben sind. Er hatte sich schon im Juni zugetragen, und die 47 Geschleppten hatten die lebensgefährliche und quälende Fahrt im Kastenwagen überstanden. Der Schlepper – oder eher wohl sein Verteidiger – hat sich dann jener Rechtsprechung des OGH entsonnen, nach der ein Transport zum üblichen Fuhrlohn das Verbrechen der Schlepperei ausschließt. Denn dieses setzt eben den Vorsatz einer unrechtmäßigen Bereicherung voraus.

Taxifahrer, die Flüchtlinge von der ungarischen an die deutsche Grenze gebracht und dafür 100 Euro pro Person verlangt haben, haben daher keine Verurteilung zu fürchten gebraucht. Der Lieferwagenfahrer irrt hingegen, wenn er meint, „dass ein jeglicher legalen Gestaltung widerstreitender Transport von 47 Personen in einem nur 7,83 Quadratmeter umfassenden Laderaum überhaupt einen Anspruch auf einen dafür adäquaten Fuhrlohn auslösen könnte“, sagt jetzt der OGH (11 Os 139/15y).

Schreie und Klopfzeichen ignoriert

Auch ein Komplize des Schleppers blitzte mit einer Nichtigkeitsbeschwerde ab: Er bestritt, das Leben der Fremden gefährdet zu haben (was die Strafdrohung auf bis zu zehn Jahren erhöht). Laut OGH waren die unzureichende Belüftung des – trotz Schreien und Klopfzeichen ständig verschlossenen – Laderaums, die Hitzeentwicklung und die ungesicherte Beförderung ausreichende Belege für die Gefährdung.

Auch ein dritter Schlepper, dessen Verurteilung der OGH mit einem anderen Beschluss bestätigte, wählte eine bemerkenswerte Verteidigungslinie. Er hatte in einem Kleintransporter 40 Flüchtlinge von Ungarn nach Österreich gebracht, ohne Zwischenstopp, Verpflegung und Wasser und nahe am Ersticken. Er behauptete, die Flüchtlinge hätten ihn „mit einem Messer oder einem ähnlichen Gegenstand zur Mitnahme gezwungen“; weil das Landesgericht Eisenstadt ihm das nicht abnahm, zog er gleich die gesamte Beweiswürdigung in Zweifel – aber erfolglos (14 Os 116/15p).

Über die Strafhöhe entscheiden – nach Berufungen der drei Angeklagten – jetzt noch die Oberlandesgerichte Linz und Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2016)

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