Unleidliches Verhalten: Lärmempfindlicher Mieter gekündigt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Wohnungsmieter deckte Mitbewohnerinnen über Jahre mit Anzeigen wegen Lärmerregung ein. Fast alle waren haltlos. Der OGH billigt deshalb seinen Rauswurf.

Wien. Herr S., ein besonders lärmempfindlicher Mieter im zweiten Stock eines Mehrparteienhauses in der Steiermark, war sich zwar nicht immer sicher, wer ihn gerade störte. Mit Anzeigen gegen zwei Mitbewohnerinnen im ersten Stock war er aber stets schnell bei der Hand: Gezählte 499 Störungen durch vermeintlichen Lärm zeigte er innerhalb von drei Jahren bei Polizei und Bezirkshauptmannschaft an.

Zwei aus 499

Er erreichte damit bloß zweimal eine Geldstrafe gegen eine der beiden Frauen – dafür aber seinen eigenen Rauswurf: Wie der Oberste Gerichtshof (OGH) nun bestätigte, konnte die Stadt als Vermieterin dem Mann die Wohnung kündigen. Das „unleidliche Verhalten“, das dazu berechtigt, lag nämlich auf seiner Seite (7 Ob 144/15z) und nicht etwa bei den Mieterinnen.

Der Mann fertigte zu einigen seiner Anzeigen sogar Lärmprotokolle an, in denen er akribisch jegliches Schlaggeräusch – insbesondere durch Türzuschlagen – und Hundebellen anführte. Er vermeinte, die jeweiligen Verursacherinnen identifizieren zu können, war sich allerdings nicht in allen Fällen sicher. Mit Ausnahme von zweimal 88 Euro Geldstrafe blieben die Anzeigen ohne direkte rechtliche Konsequenzen. Finanziell schlugen sie sehr wohl zu Buche: Die eine Mitbewohnerin gab für ihre anwaltliche Vertretung rund 1000 Euro aus, die andere nahm sich eine Rechtsschutzversicherung für 19,90 Euro monatlich. Die half ihr freilich nicht gegen die Schlafstörungen, an denen sie infolge der Anzeigenflut litt.

Immerhin gelang es den beiden Frauen, die Stadtgemeinde auf den Plan zu rufen: Die kündigte den Mietvertrag mit der Begründung, dass der Mann seinen Mitbewohnerinnen das Zusammenleben verleide. Er sei ein extrem lärmempfindlicher Mensch, der auch normale Geräusche, wie sie zwangsläufig in einem Mehrparteienhaus entstünden, nicht hinnehmen könne. Auf der anderen Seite seien die Mitbewohnerinnen ältere Menschen, die durch die Anzeigenflut in vollkommen unzumutbarer Weise beeinträchtigt würden.

„Querulatorisches Verhalten“

Das fand auch das Bezirksgericht: Es sprach von einem querulatorischen Verhalten des Beklagten und erklärte die gerichtliche Aufkündigung für wirksam. Das Landesgericht hingegen entwickelte mehr Mitgefühl mit dem Mann: Dessen Lärmempfindlichkeit könne ihm nicht vorgeworfen werden, eine rein mutwillige Vorgangsweise nicht unterstellt werden – zumal der Mieter meinte, mit seinem Verhalten im Recht zu sein. Also dürfe er nicht der Wohnung verwiesen werden.

Das letzte Wort hatte allerdings der OGH, und der gab wieder der Vermieterin recht: Auf die subjektive Einschätzung des Mieters komme es nämlich gar nicht an: „Entscheidend ist, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als grob ungehöriges, das Zusammenleben verleidendes angesehen werden muss, auch wenn es etwa auf eine geistige Erkrankung zurückgeführt werden kann“, führte der OGH aus.

Der Mann hat mittlerweile aufgehört, Anzeigen abzufeuern. Eine solche Verhaltensänderung nach Einbringung der Kündigung kann diese aber nur dann abwenden, „wenn eine Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeit auszuschließen“ ist. Da der Mieter noch immer meint, die anderen hätten auf seine extreme Empfindlichkeit Rücksicht zu nehmen, sei eine Besserung seines Verhaltens nicht abzusehen. Er muss die Wohnung räumen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2016)

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