Flüchtlinge: Kultur des Willkommens darf beendet werden

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Warum der Zustrom potenzieller Asylwerber beschränkt werden darf. Eine These.

Wien. Der Wunsch nach einer Begrenzung des Zustroms potenzieller Asylwerber bedarf einer rechtskonformen Lösung. Ist es rechtlich wirklich unmöglich, Asylwerber sofort an der Grenze zurückzuschicken (so Hoffberger im „Rechtspanorama“ vom 1. Februar), und gibt es beim Asyl einfach keine Obergrenzen (EuGH-Präsident Lenaerts im „Rechtspanorama“ vom 8. Februar)? Die Rechtsquellen sprechen für das Gegenteil. Die Willkommenskultur ist eine freiwillige und darf, wie von der Regierung beabsichtigt, beendet werden.
•Krieg ist kein Asylgrund. Nach Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention muss begründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder politischen Gesinnung vorliegen, die in einer Einzelprüfung geprüft werden muss.
•Subsidiär Schutzberechtigte, die keinen Asylgrund haben, können zwar allenfalls wegen der Verhältnisse in der Heimat aus humanitären Gründen nicht zurückgeschickt werden. Das setzt aber voraus, dass sie schon in Österreich sind.
•Die Freizügigkeit im Schengenraum erfordert, dass die nach EU-Recht zur Kontrolle und zur Führung der Asylverfahren zuständigen Erstaufnahmeländer ihrer Pflicht nachkommen, widrigenfalls die Freizügigkeit befristet aufgehoben werden kann. Ungarn und andere Staaten, die Grenzkontrollen einführten, sind rechtskonform vorgegangen. Grenzkontrollen ohne Zäune können nicht effektiv sein.
•Die Genfer Flüchtlingskonvention, das Asylgesetz und die EU-Asylverfahrensrichtlinie sind vom Prinzip der Drittstaatensicherheit beherrscht: Wer aus einem sicheren Drittstaat einreisen will, hat keinen Asylgrund. Eine unbedingte Aufnahmepflicht besteht nur für die Nachbarstaaten des Krisengebiets.
•Es gibt kein Grundrecht eines Fremden auf Auswahl des Landes, in dem das Asylverfahren durchzuführen und Asyl zu gewähren wäre. Nach gelungener Flucht in einen sicheren Drittstaat ist der Flüchtling bei seiner Weiterreise nur mehr ein sogenannter Wirtschaftsflüchtling.Nach der Genfer Konvention sollen über illegal Einreisende, die direkt aus einem Kriegsgebiet kommen, keine Strafen verhängt werden, wenn sie sich sofort melden und gute Gründe für ihre illegale Einreise vorbringen. Daraus und aus dem EU-Recht folgt, dass etwa einer syrischen Familie, die von der Türkei über die Balkanroute bis zur österreichischen Grenze gelangt ist, an der Grenze zu Österreich die Einreise verweigert werden darf: Sie ist über mehrere sichere Drittstaaten und EU-Länder zur österreichischen Grenze gelangt.

Bankrotterklärung der EU

Die auf die Asylverfahrensrichtlinie gestützte gegenteilige Ansicht, Asylwerber dürften an der Grenze nicht sofort zurückgeschickt werden, käme einer Bankrotterklärung der EU gleich: Italien, Slowenien und Ungarn müssten als nicht sichere Drittstaaten qualifiziert werden, illegal Einreisende könnten sich ihr Asylland aussuchen und die Aufenthaltsberechtigung zumindest bis zum Abschluss ihres Verfahrens in Österreich erzwingen. Folge wäre eine allgemeine Reisefreiheit für jedermann; über eine gesetzliche Aufteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten müsste gar nicht weiter nachgedacht werden. Es liegt auf der Hand, dass Asylsuchende sich mit einem Asylort in den „Verweigerungsstaaten“ der EU nicht einverstanden erklären.

Die Asylverfahrensrichtlinie enthält jedoch nur Verfahrensvorschriften und verweist selbst auf das Konzept der Drittstaatensicherheit. Sie hebt nicht das EU-Recht im Schengenraum und die Zuständigkeit der Länder an den Außengrenzen auf und ist auch kein Hindernis für nationale Einreisevorschriften. Eine Zurückweisung der syrischen Familie an der österreichischen Grenze wäre also rechtlich durchaus möglich. Ihre Sicherheit und der Mangel an Verfolgungsgründen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention liegen bei der Einreise aus europäischen Ländern auf der Hand.

Obergrenzen von in Österreich anzuerkennenden Schutzberechtigten können rechtskonform faktisch erreicht werden, wählt man die richtige gesetzliche Formulierung. Selbstverständlich kann der österreichische Gesetzgeber nicht plump normieren, dass jährlich nur 37.500 Asylwerbern der Schutzstatus zuerkannt werden darf. Das Asylrecht ist zweifelsfrei ein unbeschränkbares, subjektives Menschenrecht in Verfassungsrang, sodass die Zurückweisung des berühmten 37.501. Asylantragstellers diskriminierend und menschenrechtswidrig wäre. Eine Einschränkung der Zahl anerkannter Schutzberechtigter ließe sich aber – wie oben ausgeführt – erreichen, indem Österreich schon die Einreise verweigert und eine Entgegennahme von Asylanträgen schon an der Grenze ablehnt. Wenn allerdings ein Flüchtling bereits in Österreich ist und hier einen Asylantrag gestellt hat, darf ihm das Überschreiten der Obergrenze nicht entgegengehalten werden.

Unmenschliche Behandlung?

Ein Antrag auf internationalen Schutz darf allerdings dann nicht unter Verweis auf die Zuständigkeit eines anderen Staates zurückgewiesen werden, wenn dem Betroffenen dort eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat eine Abschiebung nach Griechenland wegen nicht geprüfter Mängel des griechischen Asylverfahrens und der dortigen Lebensbedingungen für Asylwerber für konventionswidrig erkannt. Das bedeutet aber nicht, dass die Rückführung von Flüchtlingen nach Griechenland (Ähnliches gilt für Ungarn) generell unzulässig wäre. Tatsächlich verlangt der EGMR nur eine Einzelprüfung der konkreten Verhältnisse; die Beweislast liegt bei der Behörde. Die Zurückweisung des Asylantrags wegen Zuständigkeit Griechenlands und Abschiebung könnten also im Einzelfall nach wie vor rechtskonform sein. Jedenfalls zulässig wäre aber die Abschiebung von Fremden, die aus Slowenien oder Italien einreisen. Die Verweigerung der Einreise aus Gründen der Drittstaatensicherheit muss nicht als rechtswidrig angesehen werden. Mit entsprechenden Einreisevorschriften (ohne Pass und Visum keine Einreise) kann der Zustrom von Flüchtlingen begrenzt werden.

Notmaßnahmen, wie Schweden und Dänemark sie schon ergriffen haben, könnten mit ihrem in den Süden reichenden Dominoeffekt zur Einsicht führen, dass die völlig im Stich gelassenen südlichen Mitgliedstaaten massiv finanziell und personell unterstützt werden müssen, sodass die dort Asylsuchenden auf eine menschenrechtskonforme Weise behandelt werden. Meiner Ansicht nach tragen die veröffentlichten Meinungen über die sogenannte Willkommenskultur als zwingendes europäisches Recht oder sogar Menschenrecht wenig zur Lösung des Problems bei. Auch der EGMR erweist der Sache keinen guten Dienst, wenn er die zweifellos widrigen Lebensbedingungen in Massenquartieren in Griechenland geradezu mit Folter gleichstellt und wohl bald in Europa kein Land mehr finden wird, das seinen Ansprüchen genügt. Man denke nur an die Bedingungen in Berlin-Tempelhof oder Traiskirchen.


Dr. Prückner war Senatspräsident am OGH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2016)

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