Steuern: Pflichtteil aus Privatstiftung KESt-frei

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Verwaltungsgerichtshof korrigiert Meinung des Fiskus. Die Kapitalertragsteuer als "verdeckte Erbschaftssteuer des Pflichtteilsberechtigten" ist damit vom Tisch.

Wien. Die 1993 in Österreich eingeführte Privatstiftung ist in die Jahre gekommen, in vielen Stiftungen fand bereits ein Generationenwechsel von der Stifter- auf die Nachfolgegeneration statt. Wie eine Reihe pflichtteilsrechtlicher Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (OGH) zeigt, gereichte die Einbringung der wesentlichen Vermögenswerte des Stifters seinen potenziellen Erben nicht immer zur Freude. Vielmehr versuchten die „pflichtteilsverkürzten Noterben“ durch Pflichtteilsergänzungsklagen einen Pflichtteil in jener Höhe zu erlangen, der ihnen angefallen wäre, wenn der Stifter seine wesentlichen Vermögenswerte zu Lebzeiten nicht in eine Stiftung eingelegt hätte.

Nach dem OGH bleiben die in die Stiftung übertragenen Vermögenswerte weiterhin „pflichtteilsrelevant“, wenn sich der Stifter bis zum Ableben wesentliche Ein- und Zugriffsrechte vorbehalten hat (z. B. Widerrufsrecht, umfassende Änderungsrechte). Der Gesetzgeber geht neuerdings sogar noch weiter: das für Todesfälle ab dem 1. 1. 2017 anzuwendende Erbrechtsänderungsgesetz sieht vor, dass jeder Vermögenstransfer in eine Stiftung als „anrechnungspflichtige Schenkung“ gilt. Pflichtteilszahlungen aus Stiftungen nach dem Tod des Stifters werden somit der Regelfall und nicht nur die Ausnahme sein.

Obwohl Pflichtteilszahlungen aus einer Stiftung gesetzlich verpflichtende Auszahlungen – fernab jeglicher Freigebigkeit – sind, vertrat der Fiskus die Meinung, dass sie als „Zuwendung“ der Kapitalertragsteuer (KESt) (bis zum 31. 12. 2015: 25 Prozent, danach 27,5 Prozent) zu unterwerfen seien. Dies mutet deswegen kurios an, weil einerseits bei einem direkten Vermögenserwerb des Pflichtteilsberechtigten vom Erblasser keine wie auch immer geartete Ertragsteuer angefallen wäre, und andererseits der Pflichtteilsanspruch ein von Gesetzes wegen zustehender Anspruch der Noterben ist, sodass eine „Zuwendung“ schon begrifflich unmöglich erscheint. Der VwGH hat jüngst (10. 2. 2016, Ra 2014/15/0021) die Meinung des Fiskus verworfen und bestätigt, dass Pflichtteilsauszahlungen aus der Stiftung grundsätzlich nicht der KESt zu unterwerfen sind. Dementsprechend erhält der Noterbe den Pflichtteilsanspruch „steuerlich ungeschmälert“ ausbezahlt, die KESt als „verdeckte Erbschaftssteuer des Pflichtteilsberechtigten“ ist damit vom Tisch.

Bedenkt man, dass bei mindestens drei Viertel der Privatstiftungen dem Stifter umfassende Ein- und Zugriffsrechte vorbehalten wurden, laut Verband österreichischer Privatstiftungen Vermögenswerte von etwa 70 Mrd. Euro in Privatstiftungen liegen und der Pflichtteil grundsätzlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ausmacht, lässt sich leicht ermessen, welche Beträge ohne die VwGH-Entscheidung ungerechtfertigterweise bei der Auszahlung an die Pflichtteilsberechtigten besteuert worden wären.


Prof. Dr. Friedrich Fraberger, LL.M. (Int. Tax Law), StB, ist Head of Estate Planning and Fiscal Criminal Defence/Tax Litigation der KPMG Österreich Gruppe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2016)

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