Kampf gegen Steuertricks wird ernst

(c) FABRY Clemens
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Experten orten eine neue Dynamik, wenn es darum geht, fiskalische Schachzüge von Konzernen abzustellen. Man dürfe aber nicht übers Ziel hinausschießen.

Wien. Ob Amazon, Ikea oder McDonald's: Großkonzerne stehen wegen Steuerspartricks immer wieder in der öffentlichen Kritik. Leidtragende der fiskalischen Schachzüge sind die Staaten, denen Einnahmen entgehen. „Dagegen verblasst die Schuldenproblematik“, meinte beim letztwöchigen Rechtspanorama am Juridicum Otto Farny, Leiter der Abteilung Steuerpolitik in der Arbeiterkammer Wien. Würde man das Problem der Steuervermeidung von Konzernen in den Griff bekommen, „könnte das vieles lösen“, sagte er.

„Nicht, dass ich das befürworte“, meinte Thomas Thomasberger, der bei Siemens Österreich die für Zentral- und Osteuropa zuständige Steuerabteilung leitet. Aber man dürfe (legale) steuersparende Konstrukte auch nicht mit Steuerhinterziehung gleichsetzen. „Aber ja, es ist möglich, auf Steuersparen zu verzichten“, berichtete der Siemens-Vertreter über seinen Konzern. Man brauche jedoch auch eine faire Gesetzgebung.

„Es ist Aufgabe eines Managers, dass er das steuerschonendste Modell findet“, gestand auch Gexi Tostmann zu. Gleichzeitig betonte die Geschäftsführerin eines Familienunternehmens für Trachten: „Ich bin zutiefst überzeugt, dass es der richtige Weg ist, dass man nicht Steuern hinterzieht.“ Sie erinnerte an die Zeit, als sie mit einer Verfassungsbeschwerde 1987 gegen das damalige Ladenschlussgesetz vorging. „Wir sind in dieser Zeit überfallsmäßig geprüft worden, ich bin mir wie in einem kommunistischen Staat vorgekommen“, sagte sie. Und einmal habe sie einen Prüfer gefragt, warum immer die kleinen Unternehmer geprüft würden. Dieser habe geantwortet: „Die Großen verstehen wir nicht mehr.“

Thomasberger wandte freilich ein, dass auch die Großen streng vom Fiskus geprüft würden. „Wir haben seit 2004 ständig Prüfer im Haus“, erzählte er. „Ich warne vor einer Hatz auf die Konzerne“, meinte zudem Hans Zöchling, Partner in der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG. „Wir leben auch davon, sie schaffen Arbeitsplätze“, betont er. Freilich müssten kleine und große Unternehmen gleich behandelt werden. Aber es dürfe auch keine überbordenden Regeln geben, denn durch zu viele Compliance-Regeln würden auch volkswirtschaftliche Kosten entstehen. Zudem sprach sich Zöchling dafür aus, dass es zwischen den Staaten weiterhin einen Steuerwettbewerb gibt. Ja, sogar ein fiskalisches Wetteifern zwischen den österreichischen Bundesländern hätte positive Effekte, gab er sich überzeugt.

Gehen die EU-Pläne zu weit?

Die EU-Kommission bemüht sich inzwischen intensiv darum, das unkontrollierte Ausnützen von Steuervorteilen über Landesgrenzen hinweg zu verhindern. Für Gunter Mayr, Sektionschef im Finanzministerium und Professor an der Universität Wien, ist zwar die Stoßrichtung nachvollziehbar. Doch schieße die Kommission mit ihren Plänen teilweise über das Ziel hinaus. Mayr nannte drei Beispiele aus einem im Jänner vorgelegten Richtlinienentwurf, von denen er zwei als „extrem kompliziert“ kritisierte.

Einerseits eine sogenannte Zinsschranke, die verhindern soll, dass international agierende Unternehmen überhöhte Fremdkapitalkosten als Betriebsausgaben steuerlich absetzen können. Gegen eine solche Regelung in Deutschland hat der Bundesfinanzhof verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Ebenfalls viel zu umständlich sei eine Hinzurechnungsregel (CFC-Regel), nach der Gewinne von Töchtern im Ausland der Mutter im Inland zugeschlagen werden.

Als positives Beispiel in den Brüsseler Vorschlägen nannte Mayr eine „Switch-over-Regelung“, wie sie auch im österreichischen Steuerrecht gilt: Demnach werden – sonst steuerfreie – Gewinnausschüttungen aus dem Ausland an eine österreichische Mutter hier steuerpflichtig, wenn die Besteuerung im Ausland sehr niedrig ist (die ausländische Steuer wird auf die österreichische angerechnet).

Vor Jahren noch undenkbar

Dass es nun mit dem Kampf gegen Steuertricks ernst werden könnte, glaubten auch andere Vertreter auf dem Podium. „Ich sehe eine Dynamik, wir wie sie nicht erwartet haben“, meinte Arbeiterkammer-Vertreter Farny. „Ich sehe hier einen Drive“, sagte auch Zöchling. Die OECD habe etwas entfacht, betonte er, die EU folge der Idee. Auch er orte eine Dynamik, wie man sie „vor einigen Jahren nicht für möglich gehalten hätte“.

Mayr rechnet freilich damit, dass die EU-Kommission ihren Entwurf noch überarbeiten wird. Tatsächlich hat sie vorige Woche schon eine neue Fassung vorgelegt, über die jetzt weiter diskutiert wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2016)

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