Familienrecht: Kein Unterhalt, auch wenn einer mehr betreut

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Verhältnis von 4:3 bei der Kinderbetreuung rechtfertigt keine Alimente.

Wien. Von einer „Revolution im Unterhaltsrecht“ spricht der Linzer Familienrechtsexperte Günter Tews. Gemeint ist die neue Judikatur des Obersten Gerichtshofs (OGH) zu getrennt lebenden Eltern, die ihre Kinder – annähernd – gleich betreuen. Ein Thema, das immer wichtiger wird, zumal nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ja auch die Doppelresidenz für Kinder nun definitiv erlaubt ist.

Vor dem OGH ging es nun um einen Fall, in dem die Eltern ursprünglich in einem Scheidungsvergleich die gemeinsame Obsorge für ihre beiden Kinder vereinbart hatten. Der Vater verpflichtete sich zudem, monatlich 322 Euro an Unterhalt für die Kinder zu zahlen. Als die von der Mutter vertretenen Kinder eine Erhöhung des Unterhalts forderten, kam die Sache vor Gericht. Der Vater erklärte, nun gar keine Alimente mehr zahlen zu wollen. Beide Elternteile sollten den Unterhalt in natura leisten, fand er.

Die Mutter betreut die Kinder nach bisherigem Stand an 209 Tagen im Jahr, also zu 57 Prozent. Sie bezieht die Familienbeihilfe, kümmert sich aber auch um die schulischen Belange der Kinder und bestreitet Naturalleistungen für sie. Zudem kommt die Mutter für den Musikunterricht des Nachwuchses auf (inklusive Reparaturkosten für das Saxofon). Und sie zahlt für die Pfadfinderlager der Kinder. Das Nettoeinkommen der Mutter beträgt 2700 Euro.

Der Vater verdient 1936 Euro, weil er nur Teilzeit arbeitet. Würde er Vollzeit arbeiten, könnte er 2419 Euro verdienen. Im Unterhaltsrecht gilt der Anspannungsgrundsatz: Die Alimente werden nach dem berechnet, was man verdienen könnte. Der Mann zahlt neben dem Unterhalt außertourlich für Musikinstrumente und Freizeitaktivitäten der Kinder.

Das Bezirksgericht Hallein setzte den Unterhaltsanspruch der Kinder gegenüber dem Vater auf 150 Euro herab. Zwar sei die Zahl der Betreuungstage des Vaters fast gleich mit jenen der Mutter. Aber die Kinder hätten ihren Lebensmittelpunkt bei der Mutter, die auch zusätzliche Aufwendungen leiste. Im Ergebnis seien 150 Euro Unterhalt im Monat pro Kind ein fairer Betrag für den Mann.

Das Landesgericht Salzburg hingegen befand, dass der Vater pro Kind sogar 295 Euro zahlen sollte, während der Oberste Gerichtshof (4 Ob 206/15w) den Betrag wieder herabsetzte. Dabei hielten die Höchstrichter fest, dass Betreuung der Kinder durch die Eltern wie hier im Verhältnis 3:4 grundsätzlich keinen Unterhalt rechtfertigt. Stets unter der Prämisse, dass das Einkommen der Eltern ähnlich ist. Was hier so wäre, wenn der Vater Vollzeit arbeiten würde. Da dem nicht so ist und die Mutter Naturalleistungen erbrachte, sah der OGH doch einen Betrag des Vaters von 150 Euro pro Kind als korrekt an.

Es ist die zweite Entscheidung in dieser Richtung. Schon zuvor hatte der OGH (1 Ob 158/15i) der Regelung „Einer zahlt, der andere pflegt und erzieht“ abgeschworen. Durch die neue Regelung „soll den veränderten Rollen in der zerbrochenen Familie Rechnung getragen werden und die Rollenverteilung erziehender Elternteil – Besuchselternteil aufgegeben werden“, analysiert Tews.

Haushaltsbuch nötig?

Der in der Anwaltssocietät Sattlegger Dorninger Steiner & Partner tätige Jurist sieht durch die neue Judikatur aber auch Probleme auf die Eltern zukommen. Die Frage, wie viel Unterhalt jemand zahlen müsse, werde noch schwerer zu lösen sein, fürchtet er. Möglicherweise müssten getrennt lebende Eltern nun beginnen, ein Haushaltsbuch zu führen, in dem sie verzeichnen, was sie wann für das Kind bezahlt haben, sagt Tews im Gespräch mit der „Presse“.

Und die neue Formel könnte zu bisher undenkbaren Ergebnissen führen, sagt der Jurist. So könne es etwa passieren, dass der Vater die Kinder überwiegend betreut, der Mutter aber trotzdem viel Geld für die Kinder überweisen muss, weil er wesentlich besser verdient.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2016)

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