Es gibt keinen „Einbürgerungsautomatismus“ für Flüchtlinge

Druckfrische Reisepässe in der Staatsdruckerei
Druckfrische Reisepässe in der StaatsdruckereiClemens Fabry
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Ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung besteht nur, wenn die Kriterien Mindesteinkommen, Unbescholtenheit, Deutschkenntnisse und Einbürgerungstest erfüllt sind. Dass bloß durch Zeitablauf ein Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft erwächst, ist falsch. Eine Reaktion.

In einem im „Rechtspanorama“ (11. April) erschienenen Artikel problematisiert Stefan Brocza die Einbürgerung von Asylberechtigten in Österreich. Nach sechs Jahren und ohne weiteres Zutun hätten diese das unbedingte Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft: „Mehr oder weniger allein ausschlaggebend ist der Zeitablauf“, so Brocza. Ein Problem angesichts des „jüngsten Massenzustroms“. Die „Kronen Zeitung“ konstruiert daraus sogleich einen Skandal, ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka fordert eine Gesetzesverschärfung. Allein: Die Behauptung Broczas ist völlig falsch, die angeführten Zahlen sind grob irreführend.

Jede Form der Einbürgerung in Österreich (lassen wir einmal die Einbürgerung von Sportlern, Opernsängerinnen und Investoren „im besonderen Interesse der Republik“ beiseite) setzt die Erfüllung einer ganzen Reihe von Kriterien voraus. Egal ob es sich um die „gewöhnliche Einbürgerung“ nach zehn Jahren handelt oder um eine Einbürgerung mit verkürzter Wartefrist nach sechs Jahren: Wer die österreichische Staatsbürgerschaft anstrebt, muss sämtliche im Gesetz aufgelisteten Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllen – feste und regelmäßige eigene Einkünfte von monatlich rund 1000 Euro (ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen), rechtliche Unbescholtenheit, Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 und die positive Absolvierung des Einbürgerungstests.

Im Europa-Vergleich streng

Wer auch nur eine dieser (im europäischen Vergleich übrigens äußerst strengen) Voraussetzungen nicht erfüllt, hat kein Recht auf Einbürgerung. Punkt. Aus dem österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetz eine Art „Einbürgerungsautomatismus“ herauszulesen ist schlichtweg falsch.

Anerkannte Flüchtlinge haben die Möglichkeit, die Wartefrist für eine Einbürgerung in Österreich von zehn auf sechs Jahre zu verkürzen. Derselbe Paragraf räumt diese Möglichkeit auch Personen ein, die mit einem Österreicher oder einer Österreicherin verheiratet sind, die in Österreich geboren wurden oder die aus einem Mitgliedsland des Europäischen Wirtschaftsraums kommen. Alle diese Gründe erlauben eine Verkürzung der Wartefrist um vier Jahre, von der Erfüllung der Einbürgerungsvoraussetzungen befreien sie aber nicht.

Der Rechtsanspruch besteht also nur, wenn Mindesteinkommen, Unbescholtenheit und Deutschkenntnisse erfüllt sind und der Einbürgerungstest bestanden wurde. Wer anderes behauptet, irrt. Dass allein durch Zeitablauf ein Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft erwächst, wie Brocza schreibt, ist somit falsch.

Irreführende Zahlen

Brocza operiert zudem aber auch mit irreführenden Zahlen. Er erwähnt 4455 Einbürgerungen für 2015, die auf einem solchen Rechtsanspruch basierten. Die „Kronen Zeitung“ hat in ihrem Artikel daraus gleich 4455 „Ex-Flüchtlinge“ gemacht. Bei insgesamt 8144 Einbürgerungen im Vorjahr wäre das mehr als die Hälfte gewesen.

Tatsächlich gab es im Vorjahr 4455 Einbürgerungen mit Rechtsanspruch. Darunter fallen aber eben nicht nur Flüchtlinge und alle anderen oben erwähnten Personengruppen mit verkürzter Wartefrist. Sondern etwa auch Einbürgerungswillige mit besonders langer Aufenthaltsdauer in Österreich (15 bzw. 30 Jahre), außereheliche Kinder österreichischer Väter und jene, die sich mit erhöhten Deutschkenntnissen oder einem ehrenamtlichen Engagement in Österreich besonders hervorgetan haben. An Flüchtlinge wurde die österreichische Staatsbürgerschaft 2015 über diesen Weg hingegen nur 559 Mal verliehen, etwas seltener als in den beiden vorangegangenen Jahren.

Das österreichische Staatsbürgerschaftsgesetz ist eines der restriktivsten in Europa. Von der Verkürzung der Wohnsitzfrist abgesehen schlagen sich diese restriktiven Kriterien unmittelbar auch auf Asylberechtigte nieder.


Gerd Valchars ist Politikwissenschaftler und unterrichtet an den Universitäten Wien und Klagenfurt zu Fragen der (österreichischen) Staatsbürgerschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2016)

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