Dreidimensionale Bilder malen

Wie lege ich meinen eigenen Garten an? Die Bilder sollten erst im Kopf entstehen.
Wie lege ich meinen eigenen Garten an? Die Bilder sollten erst im Kopf entstehen.Ute Woltron
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Gärtnernovizen. Wer einen neuen Garten anlegt, hat herrlicherweise noch alle Möglichkeiten vor sich und wird im Laufe der Jahre nicht nur immer klüger, sondern auch immer zufriedener.

Mehrere neu berufene Gärtnerinnen stellten sich dieser Tage hier ein, um Ableger und Jungpflanzen für frisch anzulegende Gärten zu hamstern. Wo derzeit nur Gras wächst, sollen künftig Blumen blühen. Wo alte Bauerngärten verlassen lagen, soll wieder Gemüse sprießen und ein Kräutergarten duften. Die Versorgungslage hier ist gut, der eigene Garten ist im besten Alter und wirft alljährlich massenhaft überschüssige Pflanzen ab.

Gern schenkt man sie zur wertvollsten Pflanzzeit, im Frühling und im Herbst, her, denn die warme Erinnerung an die Körbe voller Stauden, die man selbst einst dankbar von erfahreneren Gartenmenschen entgegennehmen und in der riesenhaft und unbezwingbar scheinenden eigenen Ödnis eingraben durfte, bleibt ewig frisch. Sie wuchert weiter und vermehrt sich, und eigenartigerweise merkt man sich fast immer, welche Pflanze von wem stammt. Danke zum wiederholten Male an all die großzügigen Spenderinnen, an Hannah, Gertrude & Co., und natürlich an die Nachbarin.

Auch sie entreißt ihrer prachtvollen Scholle oft und bereitwillig Ableger jeder Art, ist jedoch deutlich strenger bei der Vergabe, wobei sie das nur gut meint. Einerseits mit den Beschenkten, denen sie gleich was beibringen will, andererseits mit den Pflanzen, die es schließlich gut haben sollen an ihrem neuen Plätzchen: Sie will genau wissen, wie der Boden beschaffen ist, in den sie kommen, ob trocken oder feucht, ob lehmig, sandig, kalkig. Ist es dort schattig oder vollsonnig? Sind späte Morgenfröste zu erwarten?

Die Novizen erstarren, die Möglichkeit des Scheiterns steht im Raum, ein Anflug von Hoffnungslosigkeit weht über die gefüllten Körbe. Die Hürde der gärtnerischen Erfahrung noch in dieser Lebenszeit zu meistern, scheint eine unbezwingbare Herausforderung. Sie zücken Blöcke und Stifte, schreiben alles mit, gehen hoffnungslos unter in der Masse von Zetteln und Pflanzen, die einander nicht mehr zuzuordnen sind.

Fabelhaftes Vergnügen. Doch beruhigt euch, ihr Gärtnerinnen und Gärtner in spe, es ist alles halb so wild. Zuallererst sei festgestellt: Es ist ein langanhaltendes, fabelhaftes Vergnügen, ja nachgerade ein köstliches Privileg, einen Garten nach eigener Lust und nach eigenem Gutdünken anzulegen. Es ist, als ob man ein sehr langsam entstehendes dreidimensionales Bild in die Landschaft malen wollte, eines, das sich im Laufe der Jahreszeiten ständig umformt und umfärbt, durch das man vergnügt wandeln und das man von allen Seiten und Perspektiven betrachten und stets neu entdecken kann.

Zu Beginn empfiehlt sich eine Analyse: Welche ist die Hauptwindrichtung, wie durchläuft die Sonne das Jahr über den Garten, wo sind meine schattigen, wo meine sonnigen Zonen? Nach der Überprüfung dieser Grundzutaten schließt man am besten die Augen und unternimmt einen kleinen Spaziergang durch die sich nun formierende innere Landkarte.

Wie stelle ich mir den Garten vor? Soll es dort nach Rosen und Nachtviolen duften? Brauche ich einen Kräuter- und Gemüsegarten? Wie weit darf der von der Küche entfernt liegen? Wo will ich meine Sommermittagsschläfchen halten? Brauche ich eine Feuerstelle, eine Regentonne – überhaupt, was will ich an Mobiliar, zum Beispiel Beleuchtung, und dergleichen vieles mehr.

Erst dann, wenn der Grundriss emotional feststeht, geht es an die Analyse der Erdbeschaffenheit: Ist die Krume sehr schlecht, tauscht man sie lieber gleich aus. Ist sie mittels Humus, Mulch, Kompost verbesserbar, kann man sich die Mühe sparen. Das Gefühl für die Pflanzen und ihre Bedürfnisse stellt sich nach ein paar Erfolgen und Misserfolgen garantiert schnell ein.

Nur eines noch: Denken Sie sich Ihren Garten dreidimensional und gönnen Sie sich und Ihren Nerven auch ein paar Blütensträucher als Strukturbildner zwischendrin. Die sind unbezahlbar: Sie brauchen kaum Pflege, müssen kaum je gegossen werden, begünstigen oft das Kleinklima in ihrer unmittelbaren Umgebung. Die besten Erfahrungen hier erfolgten mit Strauchrosen sonderzahl, und zwar idealerweise mit kompakt, doch groß wachsenden Sorten, die so gut wie nicht beschnitten werden müssen. Weiters vorzüglich und unkompliziert sind alle Vertreter der Gattung Schneeball, kleinwüchsige Schlitzahorne, Perlmuttsträucher, Sommerflieder, Sternmagnolien und viele mehr.

Auch die hohe Schule des Staudenbeets ist locker meisterbar, aber beginnen Sie lieber in kleinen Formaten und arbeiten Sie sich zügig Jahr für Jahr voran. Das Bild wird nie fertig, mit Sicherheit aber immer schöner werden.

Farben für die ganze Saison

Mulchen. Gewöhnen Sie sich das Mulchen unbedingt sogleich an. Nackte Erde ist unnatürlich. Bedecken Sie sie immer mit Mulchmaterial wie feinem Häckselgut, Rindenmulch und Ähnlichem, und machen Sie damit die Würmer froh und den Boden binnen Kurzem besser.

Farbkombinationen. Passen
Sie zumindest ein bisschen
auf die Farbkombinationen
der Blütenpflanzen auf. Nicht immer passt alles gut zusammen. Die rosa Strauchrose hat Passenderes verdient als den gelben Sonnenhut als Nachbarn und umgekehrt.

Blütezeit. Die ist auch nicht unwichtig: Der Versuch, den Garten blütentechnisch so zu gestalten, dass stets irgendwo irgend etwas bunt leuchtet, macht sich ebenfalls sofort bezahlt und wird im Laufe der Jahre von Vorfrühling bis Spätherbst optimiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2016)

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