Island in Tirol

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Themenbild(c) Teresa Zötl
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Wir sind, kaum ist es endlich ein bisschen warm geworden, unter die Radfahrer gegangen.

Wir sind, kaum ist es endlich ein bisschen warm geworden, unter die Radfahrer gegangen. Seit das Kind ein neues Fahrrad bekommen hat, ist es zum herkömmlichen Zu-Fuß-Gehen als Fortbewegungsart nicht mehr zu überreden. Überall will es sein Fahrrad mitnehmen und träumt von langen Radausflügen.

Um seine Tauglichkeit für einen solchen zu testen, sind wir neulich den Wienfluss entlanggeradelt. Das geht ganz gut: Viele Radwege, nur wenig Kontakt mit Autos, keine Steigungen, bei akuter Ermüdung kann man jederzeit stoppen und samt Rädern in die U4 steigen, wunderbar. In der Theorie. In der Praxis zeigt sich, dass das Kind, während es mit seinem Rad in außerordentlicher Geschwindigkeit über den Spielplatz rast, auf dem Radweg auf extrem gemäßigtes Tempo setzt. Anders gesagt: Wir schleichen so dermaßen dahin, dass dir die Zehen einschlafen. Als Erwachsener absolvierst du dabei hinter dem Zeitlupenkind bei fast nicht vorhandener Vorwärtsbewegung auf deinem Rad ein ganz gutes Gleichgewichtstraining. Auf sehr schmalen Radwegen, die ein Überholen unmöglich machen, haben wir so schon für den einen oder anderen Radlerstau gesorgt, an der Wienzeile zum Beispiel, während der Pkw-Verkehr nebenan völlig problemlos vorankam. Sieht man sonst auch eher selten.

Hinzu kommt, dass das Kind derzeit eine Phase der Autokennzeichenfixierung durchläuft und bei jedem Kennzeichen, das kein „W“ am Anfang hat („Fad, W wie Wien“) abrupt abbremst, um sich selbiges genauer anzusehen. Die Liste aller heimischen Kennzeichen im Handy (oder wissen Sie auf die Schnelle, wofür EF steht oder HE?) brauchen wir mittlerweile längst nicht mehr. Also fast nicht. BN für Baden, SW für Schwechat geht klar, bei WE neben dem oberösterreichischen Wappen besteht das Kind allerdings auf „Wien Eisenstadt“. Bei „I“ überlegt es, ob das für „Irland“ stehen könnte oder doch für „Island“. Meinen Tipp, dass es sich eventuell um Innsbruck handeln könnte, schließt das Kind auf jeden Fall kategorisch aus und besteht schließlich auf Island. Island, Tirol. Egal. Hauptsache, das Kind fährt endlich weiter.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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