Kein Sachwalter für Querulanten

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Der Oberste Gerichtshof stoppt eine amtswegig eingeleitete Sachwalterbestellung für ein Ehepaar, das sich in einem Räumungsverfahren renitent bis angriffig zeigte.

Wien. Die Bestellung eines Sachwalters soll den davon Betroffenen schützen, nicht aber die Gerichte und Behörden, mit denen er zu tun hat. Aus diesem Grund stoppte der Oberste Gerichtshof (OGH) eine Sachwalterbestellung, die ein Gericht über Mitteilung eines anderen Gerichts von Amts wegen eingeleitet hatte. Betroffen waren ein Mann und seine Frau, die sich der Räumung einer angeblich illegal von ihnen genutzten Grundfläche widersetzt hatten.

Der OGH konnte „jedenfalls zurzeit“ keine Anzeichen einer geistigen Störung erkennen, „die die gehörige Besorgung der eigenen Angelegenheiten hindert“ (7 Ob 62/16t). Und, so erinnerte das Höchstgericht an seine eigene frühere Rechtsprechung: „Selbst für einen sogenannten ,Querulanten‘ darf nur dann ein Sachwalter bestellt werden, wenn er sich durch sein ,Querulieren‘ selbst Schaden zufügt.“

Anlass für den Streit war ein Stückchen Land, das eine Stadtgemeinde brauchte, um eine Straße zu erweitern. Die Fläche grenzte an die Liegenschaft des erwähnten Ehepaars. Dessen Verteidigungslinie verlief eher zickzack: Sagten die beiden anfangs, sie würden die Fläche gar nicht nutzen, sondern bloß pflegen, wollten sie dann „eine Art Bestandrecht ersessen“ haben. Der Mann ging schließlich in den Angriff. Er warf der Gemeinde vor, einem nicht näher genannten Behördenverfahren vor 50 Jahren zuwiderzuhandeln und dadurch vorsätzlich einen Rechtsbruch zu begehen. Er sprach von einer „an der Tochter vollzogenen Sippenhaftung“ und von Telefonterror eines Gemeindevertreters, der einer staatspolizeilichen Untersuchung wegen NS-Wiederbetätigung bedürfe. Vergleichsgespräche interpretierte er nicht als Versuch eines Entgegenkommens der Gemeinde, sondern als Nötigung und Drohung.

Bloße Behauptungen sind zu wenig

Nach fünf Eingaben in dieser Tonart verständigte das Prozessgericht das Pflegschaftsgericht und unterbrach das Verfahren: Es solle geklärt werden, ob ein Sachwalter für die Widerspenstigen zu bestellen ist. Während das Prozessgericht zweiter Instanz anordnete, das Verfahren rund um die Räumung fortzusetzen, kämpfte sich der Mann wegen der Sachwalterbestellung bis zum OGH vor. Dieser betonte, dass der Bedarf nach einem Sachwalter nur zu prüfen sei, wenn es begründete Anhaltspunkte dafür gebe. „Die bloße Behauptung der Notwendigkeit der Sachwalterbestellung ist für die Einleitung des Verfahrens nicht hinreichend“, so der OGH.

Tatsachen, die als Beleg hätten dienen können, vermisst der Gerichtshof aber: Wiewohl der Betroffene juristischer Laie sei, sei doch erkennbar, worauf er seinen Standpunkt im streitigen Verfahren stütze. Auch wenn sein Vorbringen erörterungsbedürftig sei, bestehe der Eindruck, dass er in der Lage sei, „seine Meinung ins gerichtliche Verfahren einzubringen und demnach seine vermeintlichen Interessen wahrzunehmen“. Selbst wenn sein Verhalten das Verfahren erschweren sollte: Konkrete Hinweise auf eine geistige Behinderung oder psychische Krankheit und eine Gefahr eines Nachteils für ihn selbst gebe es keine. Das Sachwalterschaftsverfahren sei daher einzustellen.

STICHWORT

Sachwalterschaft. Sachwalter sollen Personen unterstützen, die sich nicht selbst um ihre Angelegenheiten kümmern können. Die Zahl der Bestellungen hat sich zwischen 2003 und 2013 von 30.000 auf 60.000 verdoppelt. Häufigster Anlass sind Demenzerkrankungen. Justizminister Wolfgang Brandstetter arbeitet an einem Sachwalterrecht, das durch Unterstützung der Selbstbestimmung die Zahl der Sachwalterbestellungen senken soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2016)

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