Rechnungshof mit eigenen Richtern?

Der Corte dei Conti in Rom ist ein Sondergericht des Verwaltungsrechts.
Der Corte dei Conti in Rom ist ein Sondergericht des Verwaltungsrechts.(c) Fabio Frustaci
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Eine Stärkung des Rechnungshofs nach italienischem Vorbild könnte die Wirksamkeit seiner Arbeit erhöhen - ungeachtet der Tatsache, dass es in Italien nicht weniger Korruption gibt.

Innsbruck. Die bevorstehende Neubesetzung des Postens des Rechnungshof-Präsidenten hat zu einer breiteren Diskussion über die Rolle des Rechnungshofs in Österreich Anlass gegeben. Zweifelsohne ist der Rechnungshof eine der zentralen Instanzen für die Sicherung der Rechtsstaatlichkeit im Land. Als unabhängiges Organ der externen öffentlichen Finanzkontrolle schafft diese Einrichtung Transparenz, die für das Funktionieren einer Demokratie unerlässlich ist. Diese Transparenz kann ex post Korruption aufdecken, antizipativ Korruption verhindern und gleichzeitig eine Vertrauensgrundlage schaffen, die die Identifikation des Bürgers mit dem Gesamtstaat festigt.

Die angespannte Finanzlage hat die Toleranzschwelle für Misswirtschaft und Geldverschwendung im öffentlichen Sektor europaweit weiter gesenkt, und es stellt sich damit die Frage, wie Korruption noch wirksamer bekämpft werden könnte.

Eine Stärkung der Kompetenzen des Rechnungshofs könnte dabei hilfreich sein. Das Institut des Rechnungshof ist von seinem Ursprung her typischerweise dem lateinischen Rechtskreis zuzurechnen und hat unter Napoleon seine moderne Grundlegung erfahren. Damit bietet sich eine rechtsvergleichende Betrachtung an, etwa ein Blick nach Italien, einem Land, dessen Rechtsordnung in Österreich bei vergleichenden Betrachtungen mit dem lateinischen Rechtskreis gern herangezogen wird.

An der Front gegen Korruption

In Italien steht der Rechnungshof im Kampf gegen die Korruption an vorderster Front. Anders als in Österreich verfügt der Rechnungshof dort über eine rechtsprechende Einheit mit eigener Staatsanwaltschaft. Der Corte dei Conti wird damit zu einem Sondergericht des Verwaltungsrechts, dem die systematische Gebarungskontrolle öffentlicher Einrichtungen sowie die Zuständigkeit für Haftungsklagen bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung der Verwaltung obliegt. Die Staatsanwaltschaft beim Rechnungshof arbeitet eng mit der Staatsanwaltschaft bei den ordentlichen Gerichten zusammen und verweist die Sache bei Vorliegen von darüber hinausgehendem deliktischem Verhalten an diese.

Die Vorteile einer solchen Regelung liegen in der Nutzung von Synergien und in der besonderen Schlagkraft einer solchen Einrichtung im Kampf gegen die Korruption: Rechnungshöfe verfügen regelmäßig über besondere Sachkompetenz im öffentlichen Rechnungswesen und bei der Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität. Die eigene Staatsanwaltschaft kann unmittelbar auf dieses Fachwissen zugreifen, und über die eigene Gerichtsbarkeit ist eine sachgerechte Beurteilung dieser regelmäßig sehr komplexen Fragestellungen, mit denen andere Gerichte überfordert sein können, gesichert.

Dem könnte als Nachteil eine Kräfteverschiebung im System der Gewaltenteilung – weg von der Exekutive (und zum Teil von der Legislative) hin zur richterlichen Funktion – gesehen werden. Für welches Modell man sich entscheidet – für eine primär ermahnende oder für eine unmittelbar sanktionsbewehrte Rolle des Rechnungshofs, der den korrupten bzw. unfähigen Verwalter auch unmittelbar zur Kasse bitten darf –, ist eine politische Frage und hängt natürlich auch von der jeweiligen Rechtskultur (moralische Ermahnungen können in einzelnen Gesellschaften erhebliche disziplinierende Wirkungen zeitigen, in anderen nicht) und vom Stellenwert ab, den man in einer bestimmten gesellschaftlichen Realität der Missbrauchs- und Korruptionsverfolgung einräumen will bzw. muss.

Anfälligkeit nicht vergleichbar

Gegen eine Anlehnung an das italienische (bzw. generell das lateinische) Modell könnte spontan das Argument vorgetragen werden, die Korruption in den romanischen Ländern sei stärker ausgeprägt als in Österreich. Es ist allerdings offensichtlich, dass dies kein Argument gegen eine Stärkung der Kompetenzen des Rechnungshofs darstellt. Die Dimension der Korruptionsanfälligkeit einer Gesellschaft ist stets Ergebnis einer Vielzahl an Einflussfaktoren. Kontrollinstanzen wie der Rechnungshof operieren damit in jedem Land unter spezifischen Gegebenheiten und im Verbund mit anderen Einrichtungen.

Über eine Stärkung der Kompetenzen des Rechnungshofs unter Anlehnung an ausländische Modelle nachzudenken, ist aber auch in einem Land wie Österreich kein Fehler, wo diese Einrichtung im Rahmen ihrer bisherigen beschränkteren Zuständigkeiten nach allgemeinem Dafürhalten stets hervorragende Arbeit geleistet hat.


Peter Hilpold ist Professor für Völkerrecht, Europarecht und Vergleichendes Öffentliches Recht an der Universität Innsbruck.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2016)

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