Die Bucht von Piran und die Bundespräsidentenwahl

Die Bucht von Piran
Die Bucht von Piran(c) EPA (ANTONIO BAT)
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Ein fast zeitgleich mit der Wahlaufhebung bekannt gewordenes Teilurteil des Ständigen Schiedshofs in Den Haag weist interessante Parallelen auf.

Eine Stunde, bevor Verfassungsgerichtshofpräsident Gerhart Holzinger am 1. Juli 2016 die Entscheidung über die Bundespräsidentenwahl verkündete, stellte der Ständige Schiedshof in Den Haag ein Teilurteil im Streitfall zwischen Kroatien und Slowenien ins Internet. Das in einem bilateralen, von der EU unterstützten Schiedsvertrag für diesen Fall zuständig erklärte Schiedsgericht hat über die Grenzziehung zwischen Slowenien und Kroatien, einschließlich jene in der Bucht von Piran, zu entscheiden.

Streit schon seit 1992

Dieser ursprünglich politischen, jedoch erfolglosen Verhandlungen unterworfene Streit zieht sich schon seit 1992 hin und wurde unter dem Einfluss der EU 2009 als eine der Bedingungen des Beitritts Kroatiens zur EU einem Schiedsgericht unterbreitet.

Das Teilurteil war nunmehr notwendig geworden, nachdem ein Gespräch zwischen der Vertreterin Sloweniens und dem von Slowenien bestellten Schiedsrichter des fünfköpfigen Schiedskollegiums abgehört worden war, in dem vertrauliche Einzelheiten der Diskussionen der Schiedsrichter übermittelt sowie Überlegungen angestellt worden waren, andere Schiedsrichter zu beeinflussen. Kroatien betrachtete diese Verletzung der im bilateralen Schiedsvertrag vorgesehenen Vertraulichkeit des Verfahrens als eine erhebliche Verletzung dieses Vertrags im Sinne von Artikel 60 der Wiener Vertragsrechtskonvention und erklärte dementsprechend den Schiedsvertrag sowie das Verfahren für beendet.

Schiedsrichter traten zurück

Slowenien zog daraufhin seinen Vertreter sofort zurück, wie auch der betreffende Schiedsrichter zurücktrat. Angesichts der kroatischen Position resignierte auch der von Kroatien benannte Schiedsrichter, und Kroatien nahm an den weiteren Verhandlungen nicht mehr teil. Das Schiedsgericht ernannte zwei neue Schiedsrichter und hatte nunmehr über die Fortsetzung des Verfahrens zu urteilen.

Es hatte somit darüber zu entscheiden, ob der Bruch der Vertraulichkeit Ziel und Zweck des Schiedsvertrags verletzte, somit eine die einseitige Beendigung des Vertrags berechtigende erhebliche Vertragsverletzung bildete. In diesem Punkt kam das Schiedsgericht dem VfGH nahe, der unter anderem über die rechtliche Wirkung einer frühzeitigen Veröffentlichung von Teilergebnissen zu entscheiden hatte, somit ebenfalls über die Verletzung einer Geheimhaltungsverpflichtung.

Frühzeitige Veröffentlichung

Der VfGH beurteilte diese frühzeitige Veröffentlichung, die der Gefahr weiteren Informationsstreuung ausgesetzt wäre, als „Verstoß gegen den Grundsatz der freien Wahl“. Das Schiedsgericht untersuchte in ähnlicher Weise, ob jenes Vorgehen die Integrität des Verfahrens beeinträchtige und welche die praktischen Auswirkungen dieses Verhaltens allenfalls hypothetisch („even hypothetically“) hätten sein können. Angesichts der neuen Zusammensetzung des Schiedsgerichts sah es aber keine Gefahr für die Integrität des weiteren Verfahrens.

Um die Gleichheit der Parteien zu wahren, erklärte es sich, nunmehr in neuer Zusammensetzung, aber bereit, das – bereits abgeschlossene – mündliche Verfahren wieder zu eröffnen (womit es der Entscheidung des VfGH zugunsten einer neuen Stichwahl sehr nahekam). Allerdings habe dieses Verhalten keine erhebliche Verletzung des Schiedsvertrags gebildet, so dass dieser auch nicht einseitig hätte beendet werden können und das Schiedsverfahren weitergehen könne. Schließlich sei eines der Vertragsziele, Kroatien den Beitritt zur EU zu ermöglichen, erreicht worden. Nach einer neuerlichen Überprüfung der vorhandenen Unterlagen werde das Schiedsgericht die Parteien hinsichtlich des weiteren Vorgehens konsultieren. Doch wurde Slowenien indirekt Schadenersatz auferlegt, da es gemäß dem Schiedsgericht angemessen sei („it is appropriate“), dass Slowenien die durch die Verfahrensverlängerung verursachten zusätzlichen Kosten übernehme.

Univ-Prof. Gerhard Hafner lehrte Völkerrecht an der Universität Wien. 

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