Wenn das gutmütige Pferd plötzlich ausrastet

Pferd auf Butterblumenwiese
Pferd auf ButterblumenwieseAPA/dpa/Felix Kästle
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Richter mahnen, dass man selbst unauffällige Pferde gut hüten müsse. Eine Frau haftet, weil sie ihr Tier uneingezäunt grasen ließ.

Wien. Der Oberste Gerichtshof zieht bei der Frage, wie Pferde verwahrt werden müssen, die Zügel straffer. Das zeigt ein aktuelles Urteil zu einem Fall, bei dem ein ausgerissenes Pferd mit einem Vespalenker kollidierte.

Dabei war das Pferd namens Arabella zuvor immer brav gewesen. Die Stute nahm an Turnieren und Messen teil, selbst Trubel konnte das Tier nicht aus der Fassung bringen. Doch eines Tages sollte alles anders kommen.

Das Tier war von seiner Halterin wie schon oft auf eine nahe gelegene Weide zum Grasen geführt worden. Die Frau stand 1,2 Meter von Arabella entfernt und hielt den Führstrick. Doch plötzlich erschrak Arabella – warum, konnte nicht eruiert werden. Das Pferd ließ sich nicht mehr halten, folgte als Fluchttier seinem Instinkt und rannte in Richtung Stall.

War der Unfall zu verhindern?

Zwischen Wiese und Stall lag aber ein Feldweg. Auf diesem gilt ein Fahrverbot für motorisierte Fahrzeuge, aber es gibt Ausnahmen für Anrainer. Immer wieder nutzen Autolenker den Weg als Abkürzung. Das Motorengeräusch war der oft in der Nähe grasenden Arabella also durchaus bekannt.

Nun kam ein Vespafahrer des Weges, mit 30 km/h. Das Pferd tauchte zu plötzlich aus der Buschreihe auf, als dass der Fahrer hätte bremsen können. Er wurde verletzt, sein Gefährt beschädigt. Vor Gericht klagte der Mann 12.500 Euro ein, unter anderem an Schmerzengeld und Verdienstentgang.

Die nach der Tierhalterhaftung für das Pferd verantwortliche Frau wandte ein, dass das Verhalten des Tieres nicht erwartet werden konnte. Der Verletzte hingegen erklärte, dass die Frau ihr Pferd nur mit einem Steiggebiss hätte führen dürfen, jedenfalls aber am Zaumzeug. Ein Zaumzeug, so meinte wiederum die Pferdefreundin, hätte das Ausbrechen des Tieres aber gar nicht verhindert.

Das Bezirksgericht Mödling entschied, dass der Vespafahrer Anspruch auf Schadenersatz habe. Auch wenn Arabella als nicht schreckhaft galt, hätte ihre Halterin sie nicht einfach zum Grasen auf eine Wiese führen dürfen, wo es keinen Zaun gebe und Fahrzeuge den nahen Weg queren.

Das Landesgericht Wiener Neustadt erklärte hingegen, dass man die Sorgfaltspflichten von Pferdehaltern nicht überspannen dürfe. Sonst mache man es Leuten unmöglich, ungefährliche Haustiere zu halten. Es handle sich bei Arabella um eine gutmütige Stute, die Verkehrslärm gewohnt gewesen sei. Es komme immer wieder vor, dass selbst erfahrene Reiter ihre Pferde nicht sofort unter Kontrolle bringen. Man könne Scheuen, Aufbäumen oder das Durchgehen eines Pferdes nie ganz ausschließen. Der Halterin sei kein Vorwurf zu machen, die Klage daher abzuweisen.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) analysierte noch einmal die bisherige Judikatur. Demnach könne man von Haltern gutmütiger und ungefährlicher Tiere nicht verlangen, dass sie die Tiere so verwahren, dass jeder Schaden ausgeschlossen wird. Bloß bleibe ein Pferd, egal wie gutmütig es auch bisher gewesen sein möge, immer ein gefährliches Tier. Es sei ein Fluchttier, und schon seine Größe berge die Gefahr eines Schadens für andere.

Selbst wenn Arabella sich also bis zum Unfall noch so mustergültig verhalten habe, hätte die Halterin sie besser verwahren müssen. Dazu wäre es nötig gewesen, dass die Wiese ausreichend eingezäunt ist, befanden die Höchstrichter.

Fahrverbot nicht entscheidend

Der Vespafahrer hat somit ein Recht auf Schadenersatz, die genaue Höhe muss die Unterinstanz noch klären. Keine Rolle spiele, ob der Vespafahrer Anrainer sei (dies ist strittig) und den Weg benutzen dürfe, erklärte der OGH. Denn Sinn des Fahrverbots sei es nicht, Zusammenstöße mit Pferden zu verhindern. Und der Unfall hätte genauso gut passieren können, wenn ein zur Durchfahrt legitimierter Anrainer den Weg genommen hätte (2 Ob 70/16g).

(Print-Ausgabe, 11.07.2016)

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