Klonschaf Dolly wäre gerade 20 geworden

 Hello from Dolly: Sie war ein stinknormales  Schaf und stellte Besuchern ihre Jungen gern vor. Sie war nur so mächtig, dass ihre Beine sie bald kaum noch tragen konnten.
Hello from Dolly: Sie war ein stinknormales Schaf und stellte Besuchern ihre Jungen gern vor. Sie war nur so mächtig, dass ihre Beine sie bald kaum noch tragen konnten.(c) REUTERS (JEFF MITCHELL)
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Das Wundertier musste im Alter von 6,5 Jahren eingeschläfert werden. Aber spätere Kopien von ihm mussten dieses Schicksal nicht erleiden, sie erfreuen sich altersgemäßer Gesundheit.

Vor 20 Jahren rückte ein Dorf in Schottland in den Mittelpunkt des Interesses der Welt, Roslin. Das war zuvor allenfalls Mediävisten bekannt: Dort steht seit 1446 ein Nachbau des Tempels von Jerusalem, in einer Säule soll das Mirakel des Mittelalters stecken, der Gral. Und nun war ein paar hundert Meter weiter in einem High-tech-Stall ein modernes Wunder geschehen: Dolly war zur Welt gekommen, das Klonschaf, man hatte es durch Kerntransfer erzeugt. Dazu nimmt man eine Eizelle und ersetzt ihren Kern – mit seinem Genom – durch den einer Körperzelle eines ausgewachsenen Tiers. Dann wächst, wenn alles gelingt, eine genetische Kopie des Kernspenders heran.

Skepsis wegen früherer Fälschung

Das konnte man schon lang bei Fröschen, aber bei Säugetieren galt es als so ausgeschlossen, dass die Zunft die Köpfe schüttelte, als die Kunde aus Roslin kam. Die kam zudem nicht auf gewohntem Weg, in einem Fachjournal, sondern auf einer Bilanzpressekonferenz, von der Wirtschaftsjournalisten berichteten. Und zweitens erinnerte man sich noch an einen der größten Fälscherskandale: 1981 hatte der deutsche Biologe Karl Illmensee behauptet, Mäuse geklont zu haben.

Aber in Roslin war alles mit rechten Dingen zugegangen, auch wenn es primär gar nicht um das Klonen ging. Dolly sollte ein Problem lösen, das der Xenotransplantation: Man wollte Schafe gentechnisch so verändern, dass ihre Organe als Transplantate für Menschen genutzt werden können (und nicht als fremd erkannt und abgestoßen werden). Aber das Platzieren der entsprechenden Gene ging nur via Klonen.

Es gelang, ein Mal, nach vielen Versuchen. Dann war Dolly da, ein stinknormales Schaf. Sie bekam später auch Junge – auf natürlichem Weg –, sie graste mit ihnen friedlich in ihrem Stall und stellte sie Besuchern gerne vor. Allerdings sah man früh, dass Dolly mächtig war – sehr mächtig: so breit wie lang und hoch –, mit sechs Jahren konnten ihre Beingelenke sie kaum mehr tragen. Als bald darauf noch ein Lungenleiden hinzukam, musste sie mit 6,5 Jahren eingeschläfert werden.

Seitdem hält sich der Verdacht, dass geklonte Säuger vorzeitig altern, entweder weil sie bei der Geburt schon so alt sind wie das Tier, aus dem der Zellkern stammt. Oder sie nehmen durch die technische Prozedur Schaden. Das zeigte sich rasch in den Genen: „Kein einziger Klon ist normal“, fasste Rudolf Jaenisch 2002 einen breiten Befund an vielen Arten zusammen (Pnas 99, S. 12889).

Aber entweder sind Schafe etwas Besonderes. Oder die fehlerhaften Gene schlagen selten auf das Wohlergehen durch: Rechtzeitig zum 20. Jahrestag hat eine Gruppe um D. Gardner (Nottingham) und Keith Campbell – dieser war bei Dolly dabei, ist aber während der jetzigen Forschung verstorben – 13 Klonschafe in Schottland auf Herz und Nieren bzw. Knochen getestet.

„Keine negativen Folgen“

Sie waren sieben bis neun Jahre alt – „natürliche“ Schafe leben um die zehn –, vier waren gar Klone von Dolly: Man hat sie aus den gleichen Zelllinien gezogen. Sie alle waren gesund, sowohl in Bezug auf Blutdruck als auch auf Stoffwechsel, sie haben keinen Diabetes entwickelt, wie man es von geklonten Mäusen kennt. Manche hatten zwar Gelenksprobleme, aber nur leichte, für das Alter normale (Nature Communications 26. 7.). „Wir konnten keine Belege für langfristige negative Folgen des Klonens finden“, schließen die Forscher.

Das heißt nicht, dass das Klonen ausgereift ist. Zwar ist es bei 20 Arten Routine – ein Renner ist das Wiederauferstehenlassen verstorbener Hunde. Beim Menschen hat man es auch versucht, eine Sekte wollte ihn kopieren, Reproduktionsmediziner wollten es, wieder war Illmensee dabei: „Wir haben einen geklonten menschlichen Embryo übertragen“, publizierte er. Wieder war nichts dran. Von der Sekte hörte man nichts mehr. Aber auch bei Säugern, bei denen Klonen Routine ist, sind die Ausfallsquoten enorm, man braucht hundert Versuche für einen Klon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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