Hängende Gärten reinigen das Wasser

Hängende Gärten
Hängende Gärten (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wiener Forscher machen Schmutzwasser durch Innenraumbegrünung wiederverwendbar. Sie setzen auch Pflanzen auf Mülldeponien, die wertvolle, aber giftige Metalle rückgewinnen können.

Mit jeder Toilettenspülung vergeuden wir wertvolles Trinkwasser. Dabei wäre für Nutzwasser keine Trinkwasserqualität notwendig. Wiener Forscher entwickelten ein System, das solches aus „Grauwasser“ herstellt. So nennt man Abwasser eines Haushalts oder Betriebs, das nicht mit Fäkalien verunreinigt ist, also beim Duschen, Baden oder in Waschmaschine und Geschirrspüler anfällt. Im Rahmen eines EU-Projekts tüftelte das Forschungsinstitut Alchemia Nova GmbH an einem vertikalen Ökosystem, das eine Kreislaufwirtschaft des Wassers ermöglicht.

„Das kurz geschlossene Recyclingverfahren ist eine gebäudeintegrierte Pflanzenkläranlage, die von Auenlandschaften und Feuchtgebieten inspiriert ist“, sagt Heinz Gattringer, Mitgründer des seit 2010 bestehenden Instituts in Wien Penzing. Die Pflanzen, eine Kombination aus heimischen und tropischen Sumpfpflanzen, wachsen in Pflanztrögen, die stufenweise ganze Innenwände auskleiden. Das Substrat sind Blähtonkügelchen, in denen Mikroorganismen aus natürlichen Sumpfböden in Symbiose mit den Pflanzenwurzeln leben.

Wurzeln und Mikroben

„Das Wurzelgeflecht hat eine Filterwirkung, die Reinigung des Wassers übernehmen die Mikroorganismen“, sagt Gattringer. Diese gewinnen ihre Energie durch den Abbau der organischen Schmutzfracht also Seifen-, Haut- und Haarreste aus dem Abwasch-, Dusch- und Badewasser.

Die Reinigungsleistung des vertikalen Ökosystems (VertECO), das kurz vor der Marktreife steht, liegt bei 90 bis 95 Prozent. Das abfließende Nutzwasser können die Bewohner zur Grünanlagenbewässerung oder Toilettenspülung verwenden und 40 bis 60 Prozent des Wasserverbrauchs einsparen.

„Die Idee entstand im EU-Projekt ,demEAUmed‘, das nach Strategien suchte, wie man den Wasserverbrauch von mediterranen Tourismusbetrieben reduzieren kann“, sagt Gattringer. Denn diese Betriebe müssen genau in der wasserärmsten Jahreszeit die meisten Besucher versorgen. Die Innenraumbegrünung hat neben dem Wasserrecycling noch angenehme Nebeneffekte: Im Winter erhöhen die Pflanzen die Luftfeuchtigkeit in beheizten Räumen. Im Sommer kühlt die Transpiration der Pflanzen den Raum ein bisschen.

In einem weiteren Projekt, das das Technologieministerium im Programm „Produktion der Zukunft“ fördert und die MA48 Wien tatkräftig unterstützt, wollen die Forscher gemeinsam mit dem Institut für Bodenforschung der Boku Wien wertvolle Metalle aus Verbrennungsschlacken gewinnen – ebenfalls mittels Pflanzen. „Im Projekt ,Bergwerk Pflanze‘ geht es um Buntmetalle und technische Metalle, also z. B. Nickel, Mangan, Molybdän, Kobalt und einige seltene Erden, die einen sehr hohen Eigenwert haben“, sagt Gattringer.

Dass Pflanzen verunreinigte Böden von Schwermetallen befreien können, ist längst bekannt. Doch hier sollen die Metalle, die eine Pflanze in den Blättern und Stängeln akkumuliert, wiedergewonnen werden, um für einen technischen Nutzkreislauf Kosten und Energie zu sparen. „In Schlacken aus Verbrennungsanlagen sind viele wertvolle Metalle diffus verteilt: Pflanzen können aber das Zehn- bis Hundertfache der Konzentration einlagern, sodass eine Rückgewinnung technisch und wirtschaftlich sinnvoll wird.“

Dazu lässt man „hyperakkumulierende“ Pflanzen, die an natürliche Standorte mit hohen Metallkonzentrationen angepasst sind, auf Verbrennungsschlacken wachsen. Als Abwehrmechanismen verpacken die Pflanzen die giftigen Schwermetalle innerhalb der Zellen in abgeschirmte Kompartimente. Oder sie lagern sie in alten Blättern, die bald absterben, und bilden oben neue vitale Blätter.

„Pflanzen haben durch das Chlorophyll ihre eigene Fotovoltaik eingebaut. So spart man bei der energieaufwendigen Anreicherung und Ernte der Metalle aus Schlacken, die sonst für Recycling uninteressant sind“, sagt Gattringer. Verbrennt man die metallhaltigen Pflanzen, kann zusätzlich Energie gewonnen werden. Und in der Pflanzenasche verbleiben hoch konzentrierte, wertvolle Metalle. Derzeit erforscht das Team, wie die Verbrennung gestaltet werden muss, damit leicht flüchtige Metalle dabei nicht in die Luft verpuffen.

Testfeld am Rautenweg

Auf einem Testfeld in der Wiener Deponie Rautenweg wachsen schon verschiedene Pflanzenarten wie Steinkräuter und Melden, die heuer nach der Ernte im Labor getestet werden. „Die einzigen Nachteile dieser Methode: Man braucht Zeit und Fläche, auf der die Pflanzen, vom Grundwasser gut abgedichtet, wachsen können.“

Als Zukunftsvision schwebt den Alchemia-Nova-Forschern vor, dass das Wasserkreislaufsystem der vertikalen Gärten und die Schlackenaufbereitung vereint werden – um Pflanzenanbaufläche zu sparen. Macht man die Schwermetalle durch Auslaugen löslich, kann man das verschmutzte Wasser so lang im Kreislauf durch die Pflanzentürme fließen lassen, bis die giftigen Stoffe vollständig ausgewaschen – und in den Pflanzen konzentriert – sind.

LEXIKON

Schlacke ist ein Verbrennungsrückstand wie Asche, die aber durch Erhitzung teigig oder zähflüssig ist. In gewöhnlichen Müllverbrennungsanlagen werden oft Wirbelschichtöfen eingesetzt. Dabei fällt Schlacke an, die nach dem Abkühlen grobkörnig ist. Besonders giftige Müllreste werden in Drehrohröfen verbrannt. Diese Schlacke hat eine höhere Metallkonzentration, ist also giftiger als aus den Wirbelschichtöfen. Trotzdem konnten die meisten Testpflanzen auf der giftigeren Schlacke besser wachsen, weil die Granulierung und die Oberfläche der Schlacke das Wasser für die Pflanzen besser verfügbar machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2016)

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