Brustimplantate: EU-Generalanwältin lässt Opfer hoffen

PIP-Brustimplantate
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Eleanor Sharpston hält Schadenersatzpflicht wegen Versäumnissen nationaler Qualitätssicherungsstellen für möglich - allerdings nur, wenn diese einen Versicherungsschutz haben.

Für Frauen, denen fehlerhafte Brustimplantate  des französischen Herstellers  Poly Implant Prothèse (PIP) eingesetzt worden sind, zeichnet sich möglicherweise eine Lösung ab. Nachdem die Herstellerfirma seit Bekanntwerden des Skandals insolvent ist, könnten Opfer der undichten Silikonkissen nun durch staatliche Qualitätssicherungsstellen – genauer: deren Versicherungen – entschädigt werden. Darauf deuten die heute veröffentlichten Schlussanträge von Eleanor Sharpston, Generalanwältin beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg,   hin.

Minderwertiges Silikon

Die deutsche Pensionistin Elisabeth Schmitt hatte sich im Jahr 2008 PIP-Implantate einsetzen lassen. Vier Jahre später wurde bekannt, dass der Hersteller minderwertiges Industriesilikon verwendet hatte und dass bei zahlreichen Frauen synthetisches Material in die Lymphknoten gedrungen war. Mit sehr schmerzhaften Folgen. Vorbeugend ließ Schmitt sich die Implantate entfernen. Den Schadenersatz wegen der Angst, der Schmerzen im Zuge der Operation und der noch drohenden Folgen forderte Schmitt nicht von PIP, sondern vom TÜV Rheinland. Dieser war als „benannte Stelle“ im Sinn der Medizinprodukterichtlinie für das Audit des Qualitätssicherungssystems des Herstellers verantwortlich und hatte die Produkte jahrelang mit seinem Qualitätssiegel versehen.

Im Prozess wandte sich der deutsche Bundesgerichtshof an den EuGH mit der Frage, welche Pflichten die benannten Stellen treffen und wofür diese gegenüber Patienten haften. Sharpston führt in ihren Schlussanträgen aus, dass primär die Hersteller für die Sicherheit ihrer Produkte verantwortlich seien. Daneben könnten aber auch die vom Staat beauftragten Stellen für eine schuldhafte Nichterfüllung der Pflichten haften, die ihnen nach den Produktsicherheitsvorschriften der Union obliegen. Grundbedingung sei, dass die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität gewahrt bleiben.

Bei Verdacht muss Prüfstelle aktiv werden

Zwar dürften die benannten Stellen wie der TÜV regelmäßig davon ausgehen, dass die Hersteller sich an ihr Qualitätssicherungssystem halten. Sie müssten auch nicht von sich aus Produkte prüfen, Geschäftsunterlagen sichten oder unangemeldete Inspektionen durchführen. Aber: Sowie eine Stelle davon erfahre, dass ein Medizinprodukt fehlerhaft sein könnte, müsse sie alle ihr nach der Richtlinie zur Verfügung stehenden Befugnisse ausüben, um festzustellen, ob die Zertifizierung des Produkts aufrechterhalten werden könne.

Sollte der EuGH den Schlussanträgen der Generalanwältin folgen – was er in der Mehrzahl der Fälle, aber keineswegs immer tut –, dann müsste der Bundesgerichtshof klären, ob der TÜV Rheinland seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist. Weil das Verfahren ein Präzedenzfall für hunderte oder gar tausende weitere Fälle ist, schlägt Sharpston für eine mögliche Haftung eine wichtige Einschränkung vor. Das hatte auch Irland, das sich in dem Verfahren zu Wort gemeldet hat, gefordert. Nach Sharpstons Ansicht sollte die Wirkung des Urteils erst mit dessen Ergehen einsetzen, die Entscheidung also nicht zurückwirken. Es sei denn, für die benannte Stelle bestehe für die Verbindlichkeiten aus früheren Fällen bereits ein Versicherungsschutz, wie ihn die EU-Richtlinie vorsehe.

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