Verletzt ein Schulfoto mit Kopftuch den Datenschutz?

(c) Clemens Fabry
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Stellt eine Schule Fotos ihrer Klassen auf ihre Website, so muss sie sich um die Einwilligung der Eltern oder der Kinder selbst bemühen. Bilder, die eine Religionszugehörigkeit verraten, brauchten zudem eine gesetzliche Grundlage.

Linz. Seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 17 Os 8/16d wissen das pädagogische und das juristische Fachpublikum: Das entgeltliche Zurverfügungstellen von Schulräumlichkeiten zum Zweck der Anfertigung von Klassenfotos begründet nicht das Verbrechen der Bestechlichkeit (§ 304 Strafgesetzbuch, s. Rechtspanorama vom 27. Juni 2016). Ganz im Gegenteil: Schulleiter, die es unterlassen, Schulräume für diesen Zweck gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen, können sich des Verbrechens der Untreue schuldig machen. Damit sind aber beileibe nicht alle möglichen Rechtsfragen rund um das Klassenfoto beantwortet.

Taucht das strafrechtlich einwandfrei entstandene Schulfoto auf der Website der Schule auf, ist dies nicht nur eine Frage der hiefür hoffentlich erteilten Werknutzungsbewilligung des Fotografen. Es kommt vielmehr auch der Datenschutz ins Spiel. Die Veröffentlichung des Bilds eines Schulkinds auf einer Schulhomepage ist, so hat die Datenschutzbehörde mit Bescheid DSB-D122.347/0005-DSB/ 2015 festgestellt, eine Verwendung personenbezogener Daten (Bilddaten) gemäß § 4 Z 1 DSG 2000, an denen ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse besteht. Diese setzt die jederzeit widerrufbare Zustimmung des Betroffenen voraus (§ 8 Abs 1 Z 2 DSG). Im zugrunde liegenden Fall hatten die Eltern des neunjährigen Volksschülers aber auf einem schuleigenen Formular angekreuzt, nicht mit der Verwendung von Bildern ihres Sohns im Rahmen der schuleigenen Öffentlichkeitsarbeit einverstanden zu sein.

Drei Monate nach dem Bescheid der Datenschutzbehörde entschied der Oberste Gerichtshof (15 Os 176/15v) in einem medienrechtlichen Verfahren, dass die Verwendung des Fotos einer Zehnjährigen in einer Zeitung (Bericht über deren Sturz aus dem Fenster in einem Wiener Kinderheim) der höchstpersönlichen Zustimmung der Abgebildeten bedurft hätte. Eine Vertretung, etwa durch die Eltern, sei nicht möglich. Es komme bei der erforderlichen Zustimmungserklärung auf die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit der Minderjährigen an. Die übrigen Ausführungen der Entscheidung sind hier nicht ganz einschlägig, ist es doch um medienrechtliche Fragen des höchstpersönlichen Lebensbereichs gegangen, und darunter fällt der Besuch einer bestimmten Schule im Regelfall nicht. Die Gegenausnahmen sind wohl der Besuch einer Sonderschule und Fotos, die gesundheitliche Beeinträchtigungen zeigen (Rollstuhlfahrer, Kinder mit Trisomie, aber auch bereits, wie manche meinen, die Eigenschaft als Brillenträger).

„Rassische, ethnische Herkunft“

Datenschutzrechtlich sind Gesundheit, „rassische und ethnische Herkunft“ und religiöse Überzeugung sensible Daten. Die Zulässigkeit von deren Verwendung muss sich aus gesetzlichen Vorschriften ergeben, die Verwendung muss zudem der Wahrung eines wichtigen öffentlichen Interesses dienen (§ 9 Z 3 DSG). Entsprechende schulrechtliche Bestimmungen fehlen. Überspitzt ausgedrückt dürften daher nach erfolgter Zustimmung nur gesunde hellhäutige Schulkinder ohne Kopftuch, Kippa oder Ähnliches sich auf der Schulwebsite wiederfinden. § 4 Z 2 DSG bildet möglicherweise eine unüberwindbare Schranke: Die „rassische und ethnische Herkunft“ sind dort als sensible Daten definiert, und auch hellhäutig und österreichisches/europäisches Aussehen könnten daher als „rassisches und ethnisches“ Herkunftsmerkmal jedes Foto auf den Homepages verhindern; oder soll dieses Aussehen die „Norm“ sein und nur die „Abweichung“ zu datenschutzrechtlichen Problemen führen?

Ab 25. Mai 2018 gilt die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO 2016/679, ABl L 119/1). In Art. 8 Abs. 1 nimmt sie eine generelle Einwilligungsfähigkeit mit Vollendung des 16. Lebensjahrs an, die Mitgliedstaaten können diese auf minimal 13 senken. Unterhalb dieser Grenze muss der „Träger der elterlichen Verantwortung“ seine datenschutzrechtliche Zustimmung erteilen. Allerdings liegt bei der Einwilligung in der Veröffentlichung eines Klassenfotos auf der Homepage kein Fall der Annahme eines „Angebotes von Diensten der Informationsgesellschaft“ im Sinn der Sonderregelung in Art. 8 DS-GVO vor, sodass es bei den bisherigen Regelungen bleibt.

Scheinbar alltägliche Dinge bedürfen heutzutage gesetzlicher Regelungen, mit dem bloßen „Hausverstand“ geht nichts mehr; und der „Hausverstand“ ist, wie aus der Werbung bekannt, inzwischen auch nur noch mit Einkäufen beschäftigt. Daher sollte der Gesetzgeber, etwa durch Novellierung des § 44 Schulunterrichtsgesetz, eindeutig klarstellen, dass das Anfertigen und Verwenden auch für schulische Öffentlichkeitsarbeit von Fotos, Videos oder Ähnlichem der Klassengemeinschaft, dem Schulalltag, von Schulveranstaltungen und schulischen Highlights zum Arbeitsauftrag der Schule gehören. Spätestens dann erübrigt sich die Diskussion, ob brillentragende Schüler auf Schulwebsites abgebildet werden dürfen. Der, nun ja, ganz gewiss zeitgemäße österreichische Föderalismus weist den Bundesländern die Gesetzgebungskompetenz in Kindergartenangelegenheiten zu. Die neun Bundesländer sollten daher Ähnliches für ihre jeweiligen Kindergärten beschließen. Aus Beweisgründen empfiehlt es sich für die Schulleiter, bei Schuleintritt schriftlich die entsprechende Zustimmung von Schüler (fraglich erste, allenfalls zweite Klasse Volksschule) und gesetzlichem Vertreter einzuholen.

Dr. Karl Krückl, MA PLL.M ist Rechtsanwalt in Linz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2016)

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