Bewohner müssen Bordell im Haus nicht dulden

(c) Benedikt Kommenda
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In einem Haus in Wien Margareten wollte ein Miteigentümer statt einer Bar einen Prostitutionsbetrieb führen. Der Oberste Gerichtshof bestätigt, dass die Wohnungseigner hätten um Erlaubnis gefragt werden müssen.

Wien. Eine Bar ist kein Bordell. Auf dieser einfachen Erkenntnis beruht ein Urteil, mit dem einem Miteigentümer eines Hauses in Wien Margareten verboten wurde, im Erdgeschoß einen Prostitutionsbetrieb zu führen. Das Bemerkenswerte daran: Die Landespolizeidirektion Wien hatte bereits mit einem Bescheid festgestellt, dass die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen zum Betrieb des Lokals erfüllt gewesen seien. Wie der Oberste Gerichtshof nun bestätigte, hat jedoch die vertragliche Vereinbarung über die Nutzung des Objekts durch die Wohnungseigentümer Vorrang; und diese deckte bloß den Betrieb einer Bar, nicht aber eines Bordells. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass schon früher in der Bar Geschäft mit dem Sex gemacht worden war.

Als im Jahr 2005 an dem früheren Miethaus Wohnungseigentum begründet worden ist, haben sich die Miteigentümer punkto Geschäftslokal auf folgenden Passus geeinigt: „In Top Nr. 1–3 wird eine Bar und in Top Nr. 4 ein Caféhaus betrieben. Die Vertragsparteien nehmen eine dahingehende baurechtliche Widmung zur Kenntnis und verpflichten sich, den bereits bekannten Betrieb der Unternehmen zu dulden, und verzichten auf die Erhebung irgendwelcher Einwendungen betreffend Beeinträchtigungen, die mit diesem Betrieb typischerweise verbunden sind.“

Rote Lampen, rote Leuchtschrift

Die erwähnte Bar war jedenfalls von 1997 (vielleicht auch schon früher) bis 2007 in Betrieb; danach standen Top Nr. 1–3 leer. Bis im Jahr 2013 ein neuer Eigentümer die Räumlichkeiten an ein Bordell vermietete. Fortan sollten, sehr zum Leidwesen der meisten Bewohner des Hauses, eine rot leuchtende Aufschrift mit einem verfremdeten weiblichen Vornamen, ebenfalls rote Lampen und Silhouetten weiblicher Körper an den Fenstern signalisieren, was dort geboten wurde. Bis Mai 2014, als die Betreiber zusperrten.

Zur Sicherheit, und um die verbliebenen Spuren des Bordells am und im Haus entfernen zu lassen, klagten 17 Wohnungseigentümer den Miteigentümer im Erdgeschoß: Er sollte verpflichtet werden, die Vermietung an ein Bordell künftig zu unterlassen. Denn er habe die Widmung des Lokals auf unzulässige Weise geändert, argumentierten die durch Rechtsanwalt Wolfgang Schöberl vertretenen Hausparteien. Das wies der Beklagte von sich: Aus Plänen, die schon 1985 dem Bezirksamt vorgelegt worden seien, gehe eindeutig hervor, dass die heutigen Räumlichkeiten bereits damals ausdrücklich mit Separees versehen gewesen seien. Er habe sich als Eigentümer bloß darum bemüht, die mit Inkrafttreten des Wiener Prostitutionsgesetzes erforderlichen Bewilligungen einzuholen. Und: In der Branche sei es durchaus üblich, ein Prostitutionslokal als Café-Bar zu bezeichnen.

Das Bezirksgericht Innere Stadt gab dem Beklagten Recht. Aus Zeugenaussagen schloss es, dass bereits im Vorgängerlokal Prostitution betrieben worden sei, die Betriebsform sich also in Wahrheit gar nicht geändert habe. Also seien die Kläger in ihren Interessen nicht beeinträchtigt, die Klage sei abzuweisen.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen zeigte sich gegenüber den Anliegen der Bewohner wesentlich aufgeschlossener. Immerhin gehöre, so die zweite Instanz, die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts zu einer bestimmten Nutzung und das Festhalten an der dadurch definierten Nutzung zu den absolut geschützten Rechten jedes Wohnungseigentümers. Da im Wohnungseigentumsvertrag die Widmung Geschäftslokal mit dem Betriebsgegenstand Bar festgelegt worden sei, gelte es zu ermitteln, was mit diesem Begriff gemeint gewesen sei. Dazu musste sogar der Duden strapaziert werden: Demnach sei eine Bar ein intimes Nachtlokal, für das ein erhöhter Schanktisch mit den zugehörigen hohen Hockern charakteristisch sei. Aber nicht Prostitution im Hinterzimmer. Fazit: „Das Unterlassungsbegehren der Kläger erweist sich daher als berechtigt.“

Separees schon länger in Betrieb

Der Oberste Gerichtshof – und er heißt so, weil sein Wort am Ende zählt –, billigte die Sichtweise der zweiten Instanz. Denn auch wenn in den drei Separees seit eh und je Prostitution betrieben worden sei, stehe überhaupt nicht fest, dass dies allen Parteien des Wohnungseigentumsvertrags bewusst gewesen sei. Aus der Duldung des Betriebs der beiden 2005 erwähnten Unternehmen, der Bar und des Kaffeehauses, könne daher nicht die Zustimmung zur Nutzung als Bordell abgeleitet werden (5 Ob 117/16s).

„Der OGH bestätigt die Auffassung des Berufungsgerichtes. Die Umwidmung des Betriebs einer Bar in ein offiziell genehmigtes Prostitutionslokal stellt in wohnungseigentumsrechtlicher Hinsicht eine unzulässige Widmungsänderung dar“, sagt Anwalt Schöberl zur „Presse“. Er rechnet damit, dass nun auch andere Bordellbetreiber in Schwierigkeiten kommen könnten. „In einem Wohnungseigentumsvertrag wird man kaum die Widmung eines Wohnungseigentumsobjektes für Prostitutionszwecke wortwörtlich auffinden, sodass zahlreiche weitere Betreiber von einschlägigen Lokalen vor ähnlichen Problemen stehen dürften.“

Die Entscheidung liegt voll auf der Linie, die der OGH bei der eigenmächtigen Änderung von Widmungen im Wohnungseigentum verfolgt. So können auch Wohnungseigentümer dagegen vorgehen, wenn einer von ihnen die Wohnung nur noch über Airbnb vermietet, statt sie selbst zu bewohnen. Wie schon das Bezirksgericht sagte: Mit einer Eigentumsfreiheitsklage kann jeder einzelne Teilhaber einen eigenmächtigen Eingriff eines Mit- bzw. Wohnungseigentümers in das gemeinsame Eigentum im streitigen Rechtsweg abwehren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2016)

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