Mehr Jus-Anfänger als Ökonomen an der WU

(c) Clemens Fabry
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An der Wirtschaftsuniversität Wien beginnen mehr Studierende mit Wirtschaftsrecht als mit Wirtschaftswissenschaften. Der Ruf nach Zugangsbeschränkungen für Jus wird jetzt lauter; auch das Juridicum befürwortet diese neuerdings.

Wien. Die Rechtswissenschaften erfreuen sich bei den Studienanfängern der größten Beliebtheit unter allen Studien. Das zeigt sich seit einigen Jahren regelmäßig zu Beginn des Studienjahres. Neu ist, dass das Studium des Wirtschaftsrechts, eines in Bachelor und Master geteilten Jusstudiums mit wirtschaftlichen Schwerpunkt, hat an der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) bei den Anfängern sogar die Wirtschaftswissenschaften überflügelt. Die Diskussionen über Zugangsbeschränkungen für Jus, und zwar keineswegs nur an der WU, bekommen damit neue Nahrung.

Das vor zehn Jahren eingeführte wirtschaftsrechtliche Studium befriedigt offenbar einen großen Bedarf. Während ein moderater Zuwachs an Einsteigern am Wiener Juridicum angehalten hat, sind die Zahlen an der WU drastisch gestiegen. Im ganzen Studienjahr 2015/16 wurden bereits 3070 Personen für Wirtschaftsrecht registriert, während es nur 2607 für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften waren, sagt Steuerrechtsprofessor und WU-Vizerektor Michael Lang der „Presse“. Die noch vorläufigen Zahlen zum jetzigen Semesterbeginn zeigen ein ähnliches Bild.

Während jeden Herbst schon fast gleich viele an der WU den Wirtschaftsrecht-Bachelor beginnen wie am Juridicum das Magisterstudium (rund 2000), klaffen die Absolventenzahlen weit auseinander: Jährlich schließen drei bis vier Mal so viele Magister wie Master (150–200) ab, der Dropout im Wirtschaftsrecht ist also groß. Ein Master hat genauso Zugang zu den juristischen Kernberufen (Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Notar) wie ein konventioneller Magister.

Studierende meiden Aufnahmsprüfung

Der Lehrkörper an der WU ist deutlich kleiner. Kein Wunder, dass die WU schon länger für Zugangsbeschränkungen im Wirtschaftsrecht eintritt, wie es sie auch in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gibt.Franz Marhold, Professor für Arbeits- und Sozialrecht und Leiter eines der beiden juristischen Departments an der WU, ortet einen gewissen Ausweicheffekt: Es gebe Leute, die Wirtschaft studieren wollten, aber wegen der Aufnahmsprüfung ins Wirtschaftsrecht gingen. Schon die Ankündigung von Zugangsbeschränkungen wirkt steuernd: Die Prüfung konnte heuer zum zweiten Mal unterbleiben, weil sich gleich viele angemeldet haben, wie es Studienplätze gibt. Lang bestätigt, dass sich die Uni-Leitung und die juristischen Departments auch im Wirtschaftsrecht ein Aufnahmeverfahren wünschen. „Wir wollen den Zugang selbst regeln können.“ Nach den bisherigen Erfahrungen verspricht sich Lang auch weniger Dropout im Wirtschaftsrecht: „Studierende, die sich bereits im Frühjahr entscheiden müssen, sich zu registrieren, in weiterer Folge ein Motivationsschreiben verfassen müssen etc., haben sich die Studienentscheidung viel sorgfältiger überlegt und sind viel ernsthafter im Studium unterwegs.“

In Gesprächen der Jus-Unis mit dem Wissenschaftsministerium hat sich gezeigt, dass alle Verständnis für das Anliegen der WU haben und selbst Zugangsbeschränkungen befürworten. Der Grund liegt auf der Hand: Würde nur die WU den Zugang reglementieren, käme es erneut zu einem Ausweicheffekt.„Das System Zulassungsbeschränkung funktioniert nur, wenn alle es einführen“, sagt Paul Oberhammer, Dekan der Jusfakultät an der Uni Wien. Diese hat bisher Aufnahmsprüfungen mit dem Argument abgelehnt, dass dadurch ein zusätzlicher Aufwand entstünde. Nun, angesichts des Ansturms an der WU, „verhalten wir uns solidarisch und verwehren uns nicht mehr gegen die Einführung von Zulassungsbeschränkungen“, so Oberhammer. Das Wissenschaftsressort wollte sie schon voriges Jahr einführen, ist jedoch am Koalitionspartners SPÖ gescheitert. Eine Haltungsänderung ist nicht in Sicht: Nachdem die ÖVP am Donnerstag einen neuen Vorstoß für Beschränkungen beim Uni-Zugang präsentiert hatte, bekräftigte SP-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl im ORF-Radio die Reserviertheit ihrer Partei zu diesem Thema.

Rechtsfächer jetzt früher im Studium

Die WU-Juristen starten indes mit einem neuen Studienplan ins Wintersemester. Schon während der laufenden Sommeruni können Studierende, die es besonders eilig haben, die neue „Einführung in die Rechtswissenschaft“ hören. Sie machen mit Privatrecht, Öffentlichem Recht und Methodenlehre, Rechtsphilosophie und -geschichte Bekanntschaft. Neuerdings steht damit eine speziell für Juristen konzipierte Lehrveranstaltung am Beginn der Studiums. Demgegenüber war die Studieneingangs- und -orientierungsphase bisher nicht anders als bei den Wirtschaftswissenschaften.

Die Studenten wissen damit früher, was auf sie zukommt, auch die Lehrenden „lernen die Leute früher kennen“, sagt Studienprogrammleiter und Zivilrechtsprofessor Martin Spitzer. In den Grundlagenfächern wird das Lehrveranstaltungsprogramm erweitert; wirtschaftsnahe Fächer werden strategisch besser im Studienplan verteilt (z. B. lernt schon der Bachelor Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht, aber erst der Master Erbrecht, Vermögensnachfolge). „Neu ist im Bachelor auch ,Verwaltungsverfahren und Rechtsschutz‘, was uns sehr wichtig war“, sagt Spitzer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2016)

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