Wenn der Hund spät zubeißt: Trotzdem Haftung

(c) Clemens Fabry
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Ein Hund entkam, verursachte einen Unfall, biss aber erst später, als er verletzt auf der Straße lag, einem Passanten in die Hand. Das Landesgericht erblickte keine Haftung der Tierhalter mehr, der Oberste Gerichtshof schon.

Wer auf seinen Hund nicht aufpasst, sodass dieser jemanden beißt, haftet. Doch was ist, wenn der Biss erst längere Zeit, nachdem einem der Hund entkommen ist, passiert? Diese Frage galt es in einem aktuellen Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zu klären.

Im Mittelpunkt stand Waldi, wohnhaft im Bezirk Zell am See im Salzburger Land. Noch nie hatte der achtjährige Mischlingshund jemandem etwas zuleide getan. Wenn das Frauchen von der Arbeit nach Hause kam und das Herrchen die Tür öffnete, rannte der Hund aber regelmäßig zur Begrüßung heraus.

An einem Jännertag im Jahr 2014 öffnete Waldis Herrchen die Haustür, um Brennholz ins Haus zu bringen. Waldi rannte darauf hinaus in Richtung der Rauriser Landstraße. Sein Halter lief ihm wegen eines Hüftleidens nicht nach, rief aber dem Hund zu. Doch Waldi blieb nicht stehen. Das Tier rannte vor einen Pkw, es kam zur Kollision. Waldi erlitt eine Querschnittlähmung der hinteren beiden Läufe und konnte sich nur mehr mit den Vorderläufen robbend fortbewegen. So robbte sich der Hund von der Fahrbahn in Richtung Gehsteig der anderen Straßenseite, wo er nahe der Gehsteigkante verweilte. Dabei machte das Tier einen ruhigen Eindruck.

Beide Straßenseiten blockiert

Als Folge des Unfalls waren beide Fahrbahnen der Landesstraße blockiert. Auf der einen Seite lag der Hund, auf der anderen stand der Pkw, der mit Waldi kollidiert war. Drei Fahrzeuge hinter dem Unfallauto kam ein Autobus zu stehen. Dessen Fahrer stieg aus und ging auf den Unfalllenker zu, um ihn zu bitten, sein Auto woanders abzustellen, damit man die Stelle passieren könne. Dabei kam der Autofahrer auf dem Gehsteig an der Stelle vorbei, wo der Hund auf der Straße lag. Das Tier biss den Autobusfahrer, der den Hund nicht beachtet hatte, plötzlich in die Hand.

Der Mann hatte fast einen Monat lang Schmerzen, wegen eines Infekts dauerte die Behandlung auch noch länger als sonst. Schließlich forderte der Autobuslenker von den Haltern des Hundes knapp 12.700 Euro an Schmerzengeld, Verdienstentgang und Spesen.

Das Bezirksgericht Zell am See gab der Klage statt, wenngleich es dem Verletzten nur knapp 6100 Euro zusprach. Der Mann sei zu einem Drittel mitschuld am Unfall, weil er keinen Sicherheitsabstand zum Tier eingehalten habe. Die Hundehalter würden aber haften, zumal das Tier schon öfter unbeaufsichtigt aus dem Haus gelaufen ist.

Das Landesgericht Salzburg wies die Klage hingegen zur Gänze ab. Der Biss des Tieres stehe in keinem Zusammenhang mehr mit der Tierhalterhaftung. Der verletzte Mann hingegen habe damit rechnen müssen, dass ein verletztes Tier aggressiv reagiert, wenn man sich ihm annähert.

OGH: Kann bei Tier passieren

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hingegen sah wieder eine Haftung von Herrchen und Frauchen gegeben. Denn es sei „nicht gänzlich außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung“, dass ein unbeaufsichtigt auf die Straße laufender Hund verletzt wird und in der Folge aus Angst einen Passanten angreift. Gegenüber der mangelhaften Verwahrung des Hundes trete eine allfällige Sorglosigkeit des Verletzten in den Hintergrund, meinte der OGH (6 Ob 142/16z), zumal der Hund ruhig am Fahrbahnrand lag. Der Schadenersatz für den Mann wurde mit rund 9100 Euro bemessen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2016)

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