Schmerzengeld für die Eltern, weil ihr Kind tot zu Welt kam

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ARCHIVBILD/THEMENBILD: ?�RZTE(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Spital muss zahlen, weil es die Geburt zu spät einleitete.

WIEN. Der Name für die Tochter war bereits ausgesucht. Kinderwagen, Kleidung und weiteres Babyzubehör besorgt. Mit großer Freude und Intensität hatte sich ein Elternpaar auf den Nachwuchs vorbereitet. Doch dann passierte dem Spital ein grober Fehler, und das Kind kam tot zur Welt.

Haben die Eltern nun ein Recht auf Schmerzengeld? Und kann es ein solches neben der Mutter, die das Kind austrug, auch für den Vater geben? Diese Frage galt es, vor den Gerichten zu klären. Beide Eltern waren von den Ereignissen sehr mitgenommen. Der Vater war schon bei diversen Untersuchungen während der Schwangerschaft dabei gewesen und konnte auf Fotos erkennen, wie das Kind aussah. Nach der Totgeburt konnte die Mutter das tote Kind kurz sehen, der Vater nahm das Mädchen in den Arm. Die damals 17-jährige Mutter hatte in der Folge extreme Albträume. Der Vater erlebte die Zeit nach der Geburt wie in Trance und dachte ein halbes Jahr permanent an das, was geschehen war.

„Die Kläger wählten eine gesunde Offensivstrategie. Die Klägerin wurde bereits im September des Jahres wieder schwanger“, konstatierten später die Gerichte. Die weiteren Schwangerschaften sollten aber wegen der einstigen Totgeburt für Vater und Mutter wieder belastend werden. Es kam zu Früh- und Fehlgeburten. Inzwischen ist die Frau aber zweifache Mutter.

Kaiserschnitt verwehrt

Das Krankenhaus (beziehungsweise die für das Spital verantwortliche Stadt) wollte kein Schmerzengeld zahlen. Die Ärzte erklärten, die Frau sei korrekt behandelt worden. Tatsächlich waren CTG-Untersuchungen, bei denen die Herzschlagfrequenz des ungeborenen Kindes und die Wehentätigkeit der Mutter betrachtet werden, falsch befundet worden. Der Wunsch der Frau nach einem Kaiserschnitt wurde damals vom Spital abgelehnt. Dabei hätte ein Kaiserschnitt oder eine Einleitung der Geburt das Kind gerettet.

Das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen sprach Mutter und Vater Trauerschmerzengeld zu. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte das Urteil. Beide Elternteile hätten durch die Totgeburt psychische Beeinträchtigungen von Krankheitswert erlitten.

Vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) wandte das Spital ein, dass es hier kein Trauerschmerzengeld geben könne, denn dieses setze die „Tötung eines Menschen“ voraus, das Baby sei aber nie lebend geboren worden. Der Gesetzgeber differenziere ja auch im Strafrecht zwischen der Tötung eines Menschen und einem Schwangerschaftsabbruch.

„Für die Eltern ist gefühlsmäßig eben nicht ,eine ,Schwangerschaft abgebrochen‘“, erklärte der OGH, sondern „ihr Kind“ gestorben. Es gebe auch sehr wohl Gesetze, die der Trauer von Eltern nach einer Totgeburt Rechnung tragen. So würden etwa Totgeburten ab 500g und Fehlgeburten laut Wiener Landesrecht als Leichen gelten, die bestattet werden müssten.

Spätestens dann, wenn das noch ungeborene Kind durch seine Bewegungen im Mutterleib auch vom Vater gespürt werden könne, liege eine Nahebeziehung zu beiden Eltern vor, betonte der OGH. Das gelte umso mehr, als das Kind schon drei Wochen vor dem Geburtstermin stand und bei sofortiger Einleitung der Geburt bereits lebensfähig gewesen wäre. Das Spital, das grob fahrlässig gehandelt habe, hafte daher für den Trauerschaden.

Auch die von der Unterinstanz vorgesehene Höhe des Schmerzengelds (20.000 für die Mutter, 10.000 für den Vater) wurde vom OGH bestätigt. Die Frau erhalte mehr, weil sie die Ängste und nachfolgenden Fehlgeburten in den Schwangerschaften am eigenen Leib und daher „näher als der Vater erleiden musste“. Außerdem habe sie auch „die Anstrengungen und Schmerzen der Geburt eines toten Kindes auf sich nehmen müssen“, betonte der OGH (1 Ob 114/16w).

Geld für vertauschtes Kind?

Schon bald müssen die Gerichte auch die Frage klären, inwiefern es für das Vertauschen von Kindern Schmerzengeld geben kann. Am Mittwoch findet am Grazer Landesgericht für Zivilrechtssachen die erste Tagsatzung im Fall einer Frau statt, die nach der Geburt im Jahr 1990 der falschen Mutter mitgegeben wurde. Die Verwechslung flog vor einem Jahr auf. Mutter und Tochter wollen nun Geld für den Schockschaden, den sie erlitten, als sie erfuhren, dass sie gar nicht miteinander verwandt sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2016)

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