Auch Bachelor bekommt noch Alimente

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Die Unterhaltspflicht der Eltern endet nicht mit dem Abschluss eines Bakkalaureatsstudiums: Auch das folgende Masterstudium erweitere die Berufsmöglichkeiten, entschied der Oberste Gerichtshof erstmals.

Wien. Der Bachelor – ein akademischer Titel, an den man sich in Österreich erst gewöhnen muss. Seit 2000 gibt es in Österreich Kurzstudien, die mit diesem Titel enden. Wer danach weiterstudiert, erhält den Mastertitel (der in etwa dem Magistertitel entspricht). Doch ungeklärt war bis jetzt, ob Eltern ihren Kindern ihr Studium über das Bakkalaureat hinaus finanzieren müssen.

Eine Frage, die in heilen Familienwelten keine Rolle spielen sollte. Das Verhältnis der Publizistikstudentin N. zu ihrem Vater ist aber nicht das beste. Die junge Frau hatte zunächst ihr Diplomstudium der Ernährungswissenschaften an der Uni Wien abgebrochen, danach aber sehr zielstrebig ein Bakkalaureatsstudium der Publizistik in Angriff genommen. Im August 2007 schloss sie es mit Auszeichnung ab. Ihr Vater weigerte sich dann, das Studium länger zu finanzieren. Begründung: Die Finanzierung des Masterstudiums komme nur unter ganz besonderen Voraussetzungen in Frage – etwa dann, wenn es ein besseres Fortkommen gewährleiste. Gerade auf dem Gebiet der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sei das Qualifikationsprofil des Studienplans aber „schwammig“. Daher sei es unerfindlich, welcher Vorteil im Erwerbsleben durch die Vertiefung dieser Studienrichtung entstehe. Ganz anders war die Sicht der jungen Frau: Der „Magister“ sei für viele Berufe Voraussetzung erklärte sie, mit dem bloßen „Bachelor“ seien die beruflichen Chancen weit geringer.

Vater wollte nicht mehr zahlen

Das Erstgericht wies den väterlichen Antrag auf Entbindung von der Unterhaltspflicht ab: Die Studentin müsse sich zwar die Dauer ihres abgebrochenen Ernährungswissenschaftenstudiums auf ihr Publizistikstudium anrechnen lassen. Aber selbst dann sei sie noch innerhalb der durchschnittlichen Studiendauer geblieben. Und ein pflichtbewusster Vater würde seinem Kind bei intakten Familienverhältnissen auch das Masterstudium weiterhin finanzieren. Das Rekursgericht schloss sich der Meinung des Erstgerichts an. Es ließ aber den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Denn zur Frage, ob man schon nach einem Bakkalaureatsstudium selbsterhaltungsfähig ist, liege noch keine Rechtsprechung des Höchstgerichts vor.

Was das Rekursgericht nicht wissen konnte: Der OGH hatte bereits mit einem ähnlichen Fall zu tun, nur war dieses Urteil noch unveröffentlicht. Hier ging es um einen Grazer BWL-Studenten. Der OGH erwähnte zu diesem Fall die bisherige Rechtsprechung zum Doktoratsstudium. Dieses sei nur unter besonderen Umständen zu finanzieren (überdurchschnittlich gutes Magisterstudium, durch das Doktorat muss ein besseres Fortkommen erwartet werden können). Allerdings: Diese Kriterien dürften auf ein Masterstudium nicht mit voller Strenge angewandt werden, meinte der OGH. Denn das Masterstudium sei deutlich unterhalb des Doktoratsstudiums angesiedelt, überdies diene es noch unmittelbar der Berufsvorbereitung. Dazu kam im Grazer Fall noch, dass bestimmte Berufszweige (wie Wirtschaftsprüfer) einem Bachelor der Betriebswirtschaft nicht offenstehen. Das Masterstudium bringe hier eine deutliche Erweiterung der beruflichen Möglichkeiten.

Der BWL-Student bekam Recht (6 Ob 92/08 k), aber auch die Publizistikstudentin im aktuellen Fall (9 Ob 63/08t): Hier gebe es zwar keine Anhaltspunkte für bestimmte Berufserfordernisse, sagte der OGH. „Aber auch hier ist davon auszugehen, dass sich mit dem Abschluss des Magisterstudiums (gemeint wohl: Masterstudium, Anm.) der Publizistik und Kommunikationswissenschaft die beruflichen Möglichkeiten gegenüber jenen des Bakkalaureatsstudiums erweitern“, sagte der OGH. Bei einer viersemestrigen vertiefenden Berufsvorbildung spreche bereits die allgemeine Lebenserfahrung für einen Ausbau der beruflichen Möglichkeiten.

AUF EINEN BLICK

Ein Masterstudium diene der unmittelbaren Berufsvorbereitung, entschied der OGH. Einer Publizistikstudentin und einem BWL-Studenten wurde daher Unterhalt zugesprochen, obwohl sie schon Bachelor waren. Das Doktoratsstudium hingegen muss nur unter besonderen Voraussetzungen finanziert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2009)

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