Ex-Freundin soll sich entschlagen dürfen

Aussagebefreiung im Strafprozess laut VfGH zu eng.

Wien. Im Strafverfahren können sich Ehepartner und eingetragene Partner einer Aussage gegen den anderen auch dann entschlagen, wenn die Partnerschaft nicht mehr besteht. Lebensgefährten dürfen die Zeugenaussage hingegen nur verweigern, solange die Beziehung noch aufrecht ist. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sieht in dieser unterschiedlichen Behandlung eine Verletzung des Gleichheitssatzes und hebt sie mit Ablauf des 31.Dezember 2017 als verfassungswidrig auf.

Emotionale Zwangslage

Ein Mann war vom Bezirksgericht Scheibbs wegen Körperverletzung verurteilt worden, weil er seine damalige Lebensgefährtin geschlagen hatte. Grundlage der Verurteilung waren die Aussagen der Ex-Freundin. Noch ehe das Urteil rechtskräftig wurde, wandte sich der Mann an den VfGH.

Anders als in Zivilprozessen können sich Ex-Lebensgefährten vor dem Strafgericht nicht der Aussage entschlagen. Der VfGH sieht aber keinen Grund, der die Ungleichbehandlung im Strafprozess rechtfertigen würde. Der Schutzzweck, eine emotionale Zwangslage zu vermeiden, müsse bei Ex-Lebensgefährten genauso gelten; und weder mit dem Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung noch dem im Strafverfahren ebenfalls geltenden Beschleunigungsgebot lasse sich eine Andersbehandlung erklären.

Der VfGH verweist jedoch auf das enge Verständnis des Obersten Gerichtshofs von der außerehelichen Lebensgemeinschaft: Eine solche sei nur dann anzunehmen, wenn sie auf längere Dauer ausgerichtet sei und ihrem Wesen nach der Beziehung miteinander verheirateter Personen gleichkomme. Auch wird eine Vernehmung nicht verboten: Es steht den Zeugen frei, von der Aussagebefreiung Gebrauch zu machen. Der Gesetzgeber muss jetzt handeln: Denn so, wie der VfGH (G662/ 2015) die Norm aufgehoben hat, gibt es das Entschlagungsrecht im Strafprozess ab 2018 generell nur in aufrechten Beziehungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2016)

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