"Zivilrechtliche Haftung hindert Kronzeugen"

Gernot Schieszler hat als Kronzeuge im Abtausch für Straffreiheit einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Telekom-Affäre geleistet.
Gernot Schieszler hat als Kronzeuge im Abtausch für Straffreiheit einen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Telekom-Affäre geleistet.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Anwalt und Kronzeugenpionier Prochaska hätte sich mutigere Novelle erwartet.

Wien. Gut, aber nicht gut genug: So schätzt Rechtsanwalt Stefan Prochaska die zum Jahreswechsel in Kraft tretende neue Kronzeugenregelung ein. Prochaska hat in der Causa Telekom mit Gernot Schieszler eine der bisher ganz wenigen Personen vertreten, die im Abtausch für Straffreiheit als Kronzeugen auspackten. Prochaska ortet in den nunmehr unbefristeten Bestimmungen einige Verbesserungen. Er hätte sich aber eine mutigere Reform gewünscht.

Der Anwalt vermisst vor allem eine begleitende zivilrechtliche Regelung. Denn auch wenn ein Beschuldigter der Strafe entgehen kann, muss er den angerichteten Schaden ersetzen. „Ich habe schon mehrmals Leute gehabt, die sich für den Kronzeugenstatus interessiert haben. Aber wenn ich ihnen erklärt habe, dass am Ende der Privatkonkurs steht, war es vorbei“, berichtet Prochaska der „Presse“. Die zivilrechtliche Haftung sei das eigentliche Hindernis für potenzielle Kronzeugen. Prochaska plädiert deshalb für einen begünstigten Privatkonkurs „ohne sieben Jahre harte Bußzeit“.

Positiv findet er die Verrechtlichung im Strafprozess. Mögliche Kronzeugen haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf die Rechtswohltat; lehnt der Staatsanwalt ab, kann der Betroffene Einspruch erheben oder die Anwendung der Kronzeugenregelung in der Hauptverhandlung verlangen.

Als Kronzeuge kommt in Betracht, wer eine schwere Straftat (Schöffen- oder Geschworenengericht oder Zuständigkeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft oder untergeordnete Beteiligung z. B. an einer kriminellen Organisation) begangen hat; er muss freiwillig an die Staatsanwaltschaft herantreten, ein reumütiges Geständnis ablegen und mit Informationen aufwarten, die zur Aufklärung der Tat über seinen eigenen Beitrag hinaus beitragen oder dazu verhelfen, die Anführer der kriminellen Organisation auszuforschen.

Prochaska begrüßt eine Klarstellung, bis wann man den Kronzeugenstatus erhalten kann: nämlich solange man nicht konkret zu den Umständen der aufzuklärenden Tat befragt worden ist und keinen Zwangsmaßnahmen (z. B. Hausdurchsuchung) ausgesetzt war. Der Anwalt hätte aber mehr erwartet, nämlich dass man sich von „moralischen Hürden entfernt“: Der Staatsanwalt sollte entscheiden können, ob er im Austausch für den Kronzeugenstatus mehr Informationen auch zu solchen Vorfällen bekommen will, zu denen der Beschuldigte bereits befragt wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2016)

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