Verletzte Polizisten erhalten leichter Geld

Polizisten leben gefährlich – das konstatierte nun auch der Verfassungsgerichtshof.
Polizisten leben gefährlich – das konstatierte nun auch der Verfassungsgerichtshof.(c) Clemens Fabry
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Bisher war es vom Wohlwollen des Staats abhängig, ob ein im Dienst verletzter Exekutivbeamter jenes Schmerzengeld bekommt, das ihm der Täter nicht zahlt.

Wien. Der Verfassungsgerichtshof kommt in einem aktuellen Erkenntnis Polizisten, die im Dienst verletzt wurden, zur Hilfe. Anlass war der Fall einer Polizeibeamtin, die im Dienst am Körper verletzt wurde und sich infolgedessen sogar einer Operation unterziehen musste.

Der Bösewicht war zwar bekannt. Und er wurde, da er sich um den Zivilrechtsstreit nicht weiter kümmerte, per Versäumungsurteil zur Zahlung von knapp 14.000 Euro Schadenersatz an die Polizistin verurteilt. Nun ist die Zahlungsmoral bei Kriminellen traditionell nicht besonders ausgeprägt. Wie gut also, dass ein Gesetz vorsieht, dass verletzte Wachebedienstete vom Bund einen Vorschuss auf Schmerzengeld bekommen können, wenn der zum Schadenersatz verurteilte Täter diesen nicht leistet.

Doch die Sache hat einen Haken. Denn im Wachbediensteten-Hilfeleistungsgesetz (WHG) steht ausdrücklich, dass auf die Zahlung des Bundes kein Rechtsanspruch besteht. Der Staat wollte der Exekutivbeamtin daher nur rund 2000 Euro für die Heilungskosten und ihren Verdienstentgang ersetzten. Die knapp 12.000 Euro Schmerzengeld aber nicht.

Das Bezirksgericht Wien Innere Stadt wies die darauf folgende Klage der Polizistin gegen den Bund ab. Die Frau zog darauf mit einer Gesetzesbeschwerde vor den Verfassungsgerichtshof. Sie berief sich dort unter anderem auf das Legalitätsprinzip. So müsse man hinterfragen, ob ein Gesetz, laut dem der Bund zur Zahlung herangezogen werden kann, auf die es aber keinerlei Rechtsanspruch gebe, verfassungskonform sei. Denn das Gesetz führe dazu, dass seitens des Staats die „Leistungen nach Belieben gewährt oder verweigert werden“.

Anders sei die Sache zudem in Konstellationen geregelt, in denen kein zivilrechtliches Urteil gegen den Schädiger erfolgen kann. Also etwa, weil der Täter, der den Polizisten verletzt hat, unbekannt bleibt. Für diesen Fall sieht das Gehaltsgesetz (GehG) vor, dass der Exekutivbeamte einen Ausgleich für das entgangene Schmerzengeld erhalten kann. Wobei das Wort „kann“ laut der Rechtsprechung hier so zu deuten ist, dass bei Erfüllen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. Von einem Ausschluss des Rechtsanspruchs in solchen Fällen findet sich im Gesetz auch kein Wort.

Dass man also schlechter dran ist, wenn der Täter identifiziert werden kann, aber nicht zahlt, sei auch aus gleichheitsrechtlichen Gründen rechtswidrig, meinte die Frau. Zumal in der Praxis „ein sehr hoher Anteil dieser Täter einkommens- und vermögenslos ist“.

Staat: Müssen unsere Hilfstöpfe schützen

Die Finanzprokuratur, die den Staat vertritt, widersprach. Man könne keinesfalls von Willkür durch diese Differenzierung sprechen. Der Bund müsse sich „dagegen schützen, dass zu hohe Inanspruchnahmen seiner sozialen Hilfs- und Ausgleichstöpfe erfolgen“. So könne es ja sein, dass ein Täter „in zerrütteten Vermögensverhältnissen“ sich gar nicht um den zivilrechtlichen Prozess schert. „Wenn ein derartiger unmittelbarer Täter dann ein Versäumungsurteil gegen sich ergehen lässt, da es ihm egal ist, ob er nun zu einem Ersatz von 2500 Euro oder einem solchen von 10.000 Euro verurteilt wird“, solle ein derartiges Versäumungsurteil den Bund nicht binden können.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) konstatierte, dass Polizist ein gefährlicher Beruf sei und Exekutivbeamten immer wieder etwas zustoße. Im Hinblick darauf sei es unsachlich, wenn der Gesetzgeber zwar eine Verpflichtung des Bundes zur Hilfeleistung vorsieht, gleichzeitig aber einen Rechtsanspruch verneint. „Und damit den Betroffenen die Möglichkeit einer gerichtlichen Rechtsdurchsetzung nimmt“, wie der VfGH vermerkte. Auch die Differenzierung zwischen Fällen, in denen man den Täter kenne, und jenen, in denen man ihn zwar kenne, aber nicht zur Kassa bitten könne, sei sachlich nicht begründet. Zumal es auch nicht bloß Einzelfälle seien, in denen ein Täter das Schmerzengeld nicht zahlt.

Gesetz mit sofortiger Wirkung gekippt

Im Ergebnis hob der VfGH (G 339/2015) mit sofortiger Wirkung die Gesetzespassage auf, die den Rechtsanspruch von verletzten Polizisten verneinte. Diese können nun bei Verletzungen im Dienst auch dann von der Republik Schmerzengeld einklagen, wenn der Täter bekannt ist, aber nicht zahlt.

AUF EINEN BLICK

Der Verfassungsgerichtshof hebt eine Gesetzesstelle auf, die im Dienst von Tätern verletzte Polizisten daran hinderte, den Staat auf Leistung des Schmerzengelds zu klagen. Es geht um Fälle, in denen der Täter zwar zur Zahlung des Schadenersatzes verurteilt wurde, diesen aber nicht leistet. In diesem Fall konnte ein Polizist zwar laut Gesetz einen Vorschuss vom Staat fordern, es bestand aber bisher kein Rechtsanspruch. Nun besteht einer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2016)

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