Schutz der sozialen Familie kann zu weit gehen

Vater mit Kind
Vater mit Kind(c) Clemens Fabry
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Für den Gesetzgeber und den Verfassungsgerichtshof ist der leibliche Vater von untergeordneter Bedeutung, wenn es rechtlich einen anderen Vater gibt. Fraglich ist, ob damit dem Kindeswohl Genüge getan wird.

Wien. Die biologische und die rechtliche Vaterschaft decken sich in der Regel, aber nicht zwangsläufig. Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn das Kind während aufrechter Ehe geboren wird, aber nicht vom Ehemann gezeugt wurde. Rechtlicher Vater des Kindes ist der Mann, der mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschäftigte sich jüngst (G 494/2015) mit der Möglichkeit der Geltendmachung der biologischen (leiblichen) Vaterschaft im Rahmen eines Kontaktrechtsverfahrens. Der mutmaßliche biologische Vater sah sich durch die geltende Kontaktrechtsregelung des § 188 Abs 2 ABGB, nach der „Dritte“ mit einem besonderen persönlichen oder familiären Verhältnis zum Kind Kontaktrechte haben, in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK verletzt. Sein Problem war, dass seine biologische Vaterschaft noch nicht faktisch festgestellt worden war und er daher noch nicht in diesen Kreis der Dritten einzubeziehen war. Das Pflegschaftsgericht hatte den Antrag auf Einräumung eines Kontaktrechts zurückgewiesen. Auch vor dem VfGH hatte der Antragsteller kein Glück.

Antragsrecht schon erweitert

Der Gesetzgeber erweiterte mit dem Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 den Kreis der Personen, die ein Antragsrecht auf Kontakt mit dem Kind haben. Demnach hat das Gericht auch auf Antrag eines Dritten, der zum Kind in einem besonderen persönlichen oder familiären Verhältnis steht oder gestanden ist, persönliche Kontakte, die dem Wohl des Kindes dienen, zu verfügen. Dritte Personen sind zum Beispiel neben Geschwistern oder Pflegeeltern eben auch biologische Väter. Das Gericht kann anderen Dritten auf deren Anregung nur dann persönliche Kontakte einräumen, wenn bei Unterbleiben des Kontakts das Kindeswohl gefährdet wäre.

Die Problematik liegt aber weniger in der Regelung des Kontaktrechtes als vielmehr in dem schon lang diskutierten Spannungsverhältnis zwischen rechtlichem und biologischem Vater: Wie weit reicht die Schutzbedürftigkeit der sozialen Familie, wie weit das Recht des Erzeugers, seine Vaterschaft feststellen zu lassen? Die Rechtslage räumt dem Erzeuger nur sehr eingeschränkt Rechte ein, die Vaterschaft des rechtlichen Vaters zu bekämpfen. So haben nur das Kind und der Ehemann selbst die Möglichkeit, binnen zwei Jahren ab Kenntnis der gegen die Vaterschaft sprechenden Gründe einen Antrag auf Nichtabstammung zu stellen. Bis zur Volljährigkeit ist die Frist gehemmt, sodass eine Anfechtung jedenfalls bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres des Kindes möglich ist.

Mitwirkung der Mutter nötig

Auch für ein vaterschaftsdurchbrechendes Anerkenntnis braucht der biologische Vater die Mitwirkung der Mutter und des Kindes, das bei Minderjährigkeit in diesem Verfahren vom Kinder- und Jugendhilfeträger vertreten wird: Der Kinder- und Jugendhilfeträger muss dem Anerkenntnis zustimmen, und die Mutter muss den Anerkennenden als Vater bezeichnen.

Nicht nur der Gesetzgeber und der VfGH sehen darin kein Problem. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stand bisher einer staatlichen Pflicht, dem biologischen Vater jedenfalls die Möglichkeit der Feststellung der eigenen Vaterschaft einzuräumen, eher ablehnend gegenüber. Zweifelhaft bleibt trotzdem, ob damit einerseits die Rechte des biologischen Vaters ausreichend berücksichtigt werden und andererseits dem Kindeswohl Genüge getan wird. Es wird dem Kind ein mögliches Naheverhältnis zum leiblichen Vater erschwert bzw. sogar verhindert und unter Umständen eine finanzielle Besserstellung genommen. Auch wird die Schutzbedürftigkeit der sozialen Familie ohne Berücksichtigung des Einzelfalles betont. Selbst eine Scheidung der Ehepartner führt aber nicht zu einer Verbesserung der Rechtslage für den biologischen Vater.

Mag. Huber ist stellvertretender Geschäftsbereichsleiter in der Volksanwaltschaft.

(Print-Ausgabe, 02.01.2017)

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