Gegen eine „Verstaatlichung“ der Anwaltschaft

Reaktion. Verfahrenshilfe funktioniert und ist wichtig.

Wr. Neustadt. Zum Beitrag von Rechtsanwältin Julia Kolda im Rechtspanorama vom 8. Jänner erscheint es mir als langjährig tätiger Rechtsanwältin doch wesentlich, das von der Kollegin gezeichnete Bild der Verfahrenshilfe ein wenig an die Realität anzugleichen.

Das System der Verfahrenshilfe bedarf grundsätzlich keiner Modernisierung. Der Beitrag der Kollegin besagt im Wesentlichen, dass die Leistung von Verfahrenshilfeverteidigern schlecht(er) sei. Die Aussage, dass die Rechtsanwaltschaft überwiegend nicht in der Lage sei, dem Mandanten ein faires Verfahren (!) zu sichern, ist für mich nicht haltbar und entspricht auch nicht unserer standesrechtlichen Verantwortung.

Zu Fortbildung verpflichtet

Alle Anwälte in Österreich werden umfassend ausgebildet und verfügen über fundierte Kenntnisse im Strafrecht. Nebenbei sind sie gesetzlich zur regelmäßigen Fortbildung verpflichtet, damit dies auch so bleibt. Die Ausbildung ist in ihrer Qualität und in ihrem Umfang weitgehend einzigartig in Europa.

Das System der Verfahrenshilfe ist ein wichtiger Baustein für die Unabhängigkeit des Rechtsanwaltsstandes: Der Staat zahlt für die Leistungen aus der Verfahrenshilfe ins Pensionssystem der Anwälte ein. Durch dieses System werden Rechtsanwälte zu Garanten ihrer eigenen Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit vom Staat ist wesentlicher Teil der umfassenden anwaltlichen Unabhängigkeit – im Interesse unserer Mandanten. Diese Unabhängigkeit für eine bloß scheinbare persönliche Gewinnsteigerung indirekt infrage zu stellen, ist der einzige Schaden, der unsere Mandanten in Bezug auf die Verfahrenshilfe treffen könnte. Die Reformwünsche der Kollegin würden aber in diese Richtung weisen: In die Abhängigkeit einer zersplitterten Anwaltschaft vom Staat. Ich warne vor einer „Verstaatlichung“ der unabhängigen Rechtsanwaltschaft zum Schaden unserer beruflichen Freiheit und unserer Mandanten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2017)

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