Höchstgericht verwischt Grenze zur Hoheitsverwaltung

(c) Clemens Fabry
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Der Oberste Gerichtshof beschreitet anlässlich der Causa Hypo neue Wege in der Amtshaftung.

Wien. Will der Oberste Gerichtshof Jörg Haiders Erbinnen die Möglichkeit eröffnen, die Unschuld des verstorbenen Landeshauptmannes in der „Birnbacher-Affäre“ zu beweisen? In dem im Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an der Hypo-Alpe-Adria geführten Strafverfahren hatte der bereits zuvor verstorbene Jörg Haider diese Möglichkeit nicht. In seiner Entscheidung zu 1 Ob 201/16i folgt der OGH bei der Abgrenzung zwischen Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung nun einem bisher so von ihm nicht beschrittenen Weg („Die Presse“ hat berichtet).

Zur Erinnerung: Die Kärntner Landesholding klagte Haiders Erbinnen auf zumindest teilweise Rückzahlung des an den Steuerberater Dietrich Birnbacher gezahlten Honorars für die Beratung beim Verkauf der Kärntner Landeshypo. Haider war damals Landeshauptmann von Kärnten, Landesfinanzreferent und Aufsichtskommissär, übte also Tätigkeiten aus, die rechtlich als Hoheitsverwaltung qualifiziert werden. Das sieht der OGH plötzlich anders.

Erstgericht wies Klage zurück

Die Abschnitte des Verfahrens: Das Erstgericht vertrat die Auffassung, dass die Haider von der Landesholding vorgeworfenen Handlungen in den Bereich der Hoheitsverwaltung fallen. Folgerichtig wies es die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Die Landesholding hätte das Land Kärnten nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes klagen müssen. Diese Entscheidung bewegte sich im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung.

Das Oberlandesgericht Graz drehte diese Entscheidung um, wogegen wiederum Haiders Erben einen außerordentlichen Revisionsrekurs erhoben. Der OGH nahm die Problemstellung offenbar zum Anlass, eine ebenso grundsätzliche wie neue Abgrenzung zwischen Privatwirtschafts- und Hoheitsverwaltung vorzunehmen.

Wie sieht die bisherige Rechtsprechung aus? Eindeutig so, dass die Überwachung der Einhaltung eines Regelungssystems im öffentlichen Recht angesiedelt ist und im Wege der Hoheitsverwaltung vollzogen wird (VfGH 3.7.2015, A6/2014). Ein Beispiel bieten die Forstbetriebe: Das sind zweifellos Einrichtungen privatrechtlicher Natur. Dennoch wird die Forstaufsicht als hoheitliche Tätigkeit qualifiziert (RIS-Justiz RS 0050166). Was für Forstbetriebe gilt, gilt auch für Kindergärten: Auch dort fällt nach der Rechtsprechung die Aufsicht des Landes in die Hoheitsverwaltung (RIS-Justiz RS 0050169).

Wo liegt nun der Unterschied zu Haiders Tätigkeit als Landeshauptmann, Landesfinanzreferent und Aufsichtskommissär bezogen auf die Tätigkeit der Landesholding? Die Aufsichtspflichten des Landes gegenüber der Kärntner Landesholding waren gesetzlich klar geregelt. Diese Aufsicht war von der Landesregierung unter Vorsitz des Landeshauptmanns wahrzunehmen. In die Zuständigkeit des Landeshauptmanns und Finanzreferenten fielen u. a. die Pflicht zur ordnungsgemäßen Finanzgebarung und die Überwachung der damaligen Kärntner Landesholding.

Gerade hier betritt der OGH Neuland: Er sieht keine hoheitliche Tätigkeit des Landeshauptmanns, weil das Land, vertreten durch die Landesregierung, mit den Aufsichtsmöglichkeiten „lediglich Eigentümerinteressen“ gewahrt habe. Ziel von Ausgliederungen ist gerade, dass der Rechtsträger nicht selbst als Eigentümer agiert, sondern durch Schaffung eigener selbstständiger Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit eine externe, nach bisheriger Annahme hoheitliche, Aufsicht gegeben ist.

Unter welchem Blickwinkel immer man ausgegliederte Gesellschaften betrachtet: Es bleibt, dass es sich um selbstständige Rechtspersönlichkeiten handelt. Der Unterschied zu den Beispielen hoheitlichen Handelns, etwa der Aufsicht über Kindergärten, ist dann aber nicht mehr erkennbar.

Folgen für den Finanzminister?

Den in den Revisionsrekursen beschriebenen Zusammenhang zwischen Haiders Tätigkeit und der Finanzverwaltung verneint der OGH. Kernbegründung ist, dass sich alle bisherigen Judikaturbeispiele, in denen die Finanzverwaltung als hoheitlich angesehen wurde, um „Zoll oder Steuern“ drehten. Das wirft allerdings sehr weitgehende Fragen auf, etwa jene, ob beachtliche Teile der Planung des Budgets und der Überwachung seines Vollzugs nunmehr vom Finanzminister im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erbracht werden, was bisher zweifellos nicht so gesehen wurde.

Die neue Entscheidung ist ein Meilenstein in der Geschichte des Amtshaftungsrechtes. Ob sie der Rechtsfortentwicklung dient oder aus dem Blickwinkel der Rechtssicherheit neue Probleme schafft, werden erst die wissenschaftliche Diskussion und die Folgejudikatur zeigen.


Mag. Dasa Halmiova ist Rechtsanwaltsanwärterin bei B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH (am Verfahren beteiligt).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2017)

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