Digitaler Rechtszugang

Das Handy als Anwalt: Chance und Risiko

Vor allem Digital Natives suchen bei Rechtsproblemen nach Hilfe im Internet, ohne gleich zum Anwalt zu gehen.
Vor allem Digital Natives suchen bei Rechtsproblemen nach Hilfe im Internet, ohne gleich zum Anwalt zu gehen. (c) REUTERS (Valentyn Ogirenko)
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Oft bleiben Probleme ungelöst, weil die Betroffenen gar keine Beratung aufsuchen. Onlineportale können hier gut helfen. Doch bei komplexeren Fragen drohen Probleme.

Wien. Rasch am Smartphone Geld überweisen oder in letzter Minute ein Geschenk bestellen – die Digitalisierung des täglichen Lebens nimmt stetig zu. Auch der direkte Zugang zum Recht wird immer gefragter, und im juristischen Umfeld gibt es zunehmend mehr digitale Anbieter. Aber welchen Mehrwert haben die Konsumenten vom direkten Zugang zum Recht, und welche Gefahren lauern dahinter?

Herr Schmid, Anfang 50, wird demnächst einen kleinen chirurgischen Eingriff vornehmen lassen. Eigentlich Routine, doch nach dem Vorgespräch mit dem Arzt macht er sich Gedanken. Er würde gern auf Nummer sicher gehen und eine Patientenverfügung verfassen. Doch er weiß nicht, wie er an so eine Verfügung herankommen soll. Blankodokumente aus dem Internet sind ihm zu unsicher, mit Freunden spricht man nicht darüber, und der Weg zum Anwalt ist ihm zu aufwendig und zu teuer. Oftmals wissen Menschen gar nicht, dass sie eine juristische Fragestellung haben, die gelöst werden soll. Und wenn sie es wissen, stellt sich der Zugang zu ihrem Recht als nicht einfach heraus. Das führt dazu, dass laut Umfragen in den USA ca. 80 Prozent der Fälle, in denen ein Problem juristisch gelöst werden könnte, dieses gar nicht erst behandeln lassen.

Legal-Tech, also die Kombination von juristischen Fragestellungen mit Informationstechnologie, will das ändern. Der große Hype begann 2011 mit den eindrucksvollen Fähigkeiten von IBM Watson bei Jeopardy, als die Maschine gegen die besten menschlichen Spieler gewann. Mithilfe von vernetzten Systemen auf Basis von Artificial Intelligence wurde das ermöglicht – und geht seitdem als AI-Revolution um die Welt.

Nur fünf Minuten Aufwand

Aber was sind die Vorteile des digitalen Zugangs zum Recht? Zunächst einmal ist er sehr einfach: Quasi vom Sofa aus werden Rechtsdienstleistungen in verständlicher Sprache direkt angeboten, wie bei Plattformen, die es ermöglichen, bei Flugverspätungen direkt mit fünf Minuten Aufwand den Anspruch einzubringen. Der Ablauf ist transparent und automatisiert – somit für den Rechtskonsumenten verständlich.

Man kann die rechtlichen Onlineangebote grob in drei Kategorien unterteilen: die klassischen Rechtsportale und Rechtsforen, die Spezialdienstleister und die sogenannten Vertragsgeneratoren. In klassischen Rechtsforen oder Rechtsportalen kann der juristische Laie Fragen stellen und qualifizierte Antworten bekommen.

Die zweite Kategorie sind die Spezialdienstleister. Diese decken ein sehr spezifisches Thema wie Flugverspätungen oder Strafmandate ab. Sie sammeln über eine einfache Nutzeroberfläche die benötigten Informationen und verarbeiten diese größtenteils massenhaft und automatisiert. Diese Dienste sind für viele interessant, da sie im Vergleich zum Anwaltstermin teilweise kostenlos sind.

Vorsicht bei Vertragsklauseln

Ein kontroverses Thema ist die dritte Kategorie: das eigene Zusammenstellung von Verträgen auf Grund von online verfügbaren Inhalten – hier kommt es oft zu nicht geltenden Vertragsklauseln, die im Zweifel sogar den gesamten zusammengewürfelten Vertrag ungültig machen. Eine Antwort gäbe die Kategorie der Vertragsgeneratoren, die unter anderem das Problem von Herrn Schmid lösen könnten. Diese stellen meist von Anwälten geprüfte und laufend aktualisierte Musterverträge und -schriftstücke wie Patientenverfügungen, Testamente oder Kaufverträge zur Verfügung. Den Bedürfnissen des Einzelnen entsprechend werden diese schrittweise individualisiert und stehen dann zum Download bereit. Der Trend wird sich fortsetzen: Digital Natives werden diese Art von Dienstleistung stärker nutzen. Wie in der Start-up-Szene üblich kommen viele Anbieter schnell hoch und verschwinden schnell wieder. Ein wichtiger Unterschied bei Rechtsdienstleistern ist jedoch, dass Markt und Angebot stark reglementiert sind. Der direkte Zugang zum Recht führt aber nicht dazu, dass Anwälte und Notare ein Geschäft verlieren, sondern er eröffnet ein zusätzliches Kundensegment, das den klassischen Weg zum Juristen nicht nehmen würde.

Daher gilt es, rasch passende Rahmenbedingungen für das 21. Jahrhundert zu finden.

Christian Dirschl, M.A., ist Head of Content Strategy bei Wolters Kluwer Deutschland GmbH; Sophie Martinetz ist die Gründerin von Future-Law. Die Autoren werden bei den Alpbacher Rechtsgesprächen (www.alpbach.org/law ) darüber diskutieren, wie sich die Digitalisierung auf den Rechtsbereich auswirkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2017)

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