Unsicherheit schreckt Frauen ab

Die Frage, warum der Frauenanteil in den Rechtsberufen zwischen 55 (Justiz) und 21 Prozent (Anwaltschaft) liegt, beschäftigte das Rechtspanroama am Juridicum.
Die Frage, warum der Frauenanteil in den Rechtsberufen zwischen 55 (Justiz) und 21 Prozent (Anwaltschaft) liegt, beschäftigte das Rechtspanroama am Juridicum. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Rechtspanorama am Juridicum. Die Furcht, dass der Job nicht mit der Familie vereinbar ist, und die gläserne Decke halten Frauen von Topjobs ab, sagen Juristinnen. Doch wie schafft man Abhilfe?

Wien. „Ich finde es super, dass so viele Mädels da sind, denn die Zukunft ist weiblich!“ Sprach die Juristin und Unternehmerin Sophie Martinetz beim letztwöchigen Rechtspanorama am Juridicum und erntete im fast ausschließlich weiblich besetzten Zuschauerraum zufriedene Blicke. Doch auch wenn eine klare Mehrheit der Jus-Studierenden Frauen sind, ist das weibliche Geschlecht etwa im Anwaltsberuf, aber auch generell in juristischen Spitzenpositionen, noch unterrepräsentiert. Aber warum ist das so, wie kann man das ändern?

„Ich persönlich glaube nicht, dass Frauen für den Anwaltsberuf weniger geeignet sind“, meinte die Rechtsanwältin Isabella Hartung. Sicher: „Ganz zart besaitet sollte man besser nicht sein, weil man einstecken und auch austeilen können muss“, betonte sie. Und ja, es habe Tage gegeben, in denen sie gern mit der Rezeptionistin in der Kanzlei getauscht hätte. „Aber man muss auch durch Perioden durchtauchen können, die manchmal unerfreulich sind.“

Dafür, dass es österreichweit nur 21 Prozent Frauen unter den Anwälten gibt, hatte Hartung keine einfache Erklärung. Möglicherweise halte die zeitliche oder finanzielle Unplanbarkeit aber manche Frauen ab. Sie selbst sei nach dem ersten Kind auch nur zwei Monate und nach dem zweiten Baby drei Monate in Karenz gewesen, um keine Mandanten zu verlieren.

Ganz anders ist es im Richterberuf, der weiblich dominiert ist. „Die Vereinbarkeit mit der Familie ist im öffentlichen Dienst sicher einfacher. Als Richter kommt noch die freie Diensteinteilung dazu“, erklärte Sabine Matejka, Vizepräsidentin der Richtervereinigung. 55 Prozent der Richter und Staatsanwälte sind österreichweit weiblich, wobei es ein Ost-West-Gefälle gibt. Im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien liegt der Frauenanteil bei 60 Prozent, im Zuständigkeitsbereich des OLG Innsbruck bei 44.

Geld ist für Männer wichtiger

Grundsätzlich müsse man aber inzwischen schon überlegen, was man tun könne, um auch wieder mehr Männer in den Richterberuf zu locken, meinte Matejka. Was das Problem sein könnte, zeigte die Episode von einer Berufsmesse, die Matejka erzählte. Ein junger Mann blickte beim Stand der Richter in die Gehaltstabelle – und wechselte sofort zum Stand der Anwälte.

An den Stellen, an denen man als Richter mehr verdienen kann – also in den höheren Instanzen –, sitzen aber doch wieder überwiegend Männer. Sie stellen 65 Prozent der Mitglieder des Obersten Gerichtshofs und der Generalprokuratur. Auch auf den Hochschulen „kommt die viel zitierte gläserne Decke zum Einsatz“, wie Bettina Perthold, Vizedekanin für Lehre der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, meinte. Sechs von zehn Jus-Absolventen sind an ihrer Fakultät weiblich, auch unter den Assistenten stellen die Frauen die klare Mehrheit. Aber bei den Dozenten ist nur noch ein knappes Drittel weiblich, bei den Professoren nur mehr etwas mehr als ein Viertel.

Perthold bekam Kinder, bevor sie, heute Professorin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, sich habilitierte. „Wenn man sich spät habilitiert, ist man mit dem Vorwurf konfrontiert, warum jetzt noch?“, sagte sie. Getuschel erntete einst auch Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Vorstand des Instituts für Finanzrecht der Uni Wien und Wirtschaftsprüferin, als sie erklärte, sich habilitieren zu wollen. „Die nimmt uns die Professuren weg“, hätten Männer gemeint, erzählte Kirchmayr-Schliesselberger, die sich als erste Frau in diesem Bereich habilitierte.

Einige Frauen würden vor einer Unikarriere zurückschrecken, weil sie unsicher sei, meinte die Juristin. „Und dann ist da das zentrale Thema: Wie kann man eine Topkarriere mit einer Familie vereinbaren?“ Kirchmayr-Schliesselberger war nur ein Jahr in Karenz, ihr Mann zwei Jahre. Wenn ein Mann sage, er wolle länger in Karenz gehen, werde er aber wohl in vielen Bereichen den Job verlieren, prangerte Kirchmayr-Schliesselberger an.

„Lassen Sie sich die Kinder nicht umhängen“, riet Martinetz, die auch das Netzwerk „Women in Law“ betreibt, den jungen Frauen im Publikum. Auch Väter seien für das Kind wichtig. „Und überlegen Sie nicht, ob er drei Monate in Karenz gehen würde, sondern, was er die 18 Jahre danach macht.“

Mehr Selbstvertrauen zeigen

„Änderungen im Berufsumfeld müssen von Frauen selbst kommen“, meinte Matejka. „Es wird nichts vom Himmel fallen.“ Die Podiumsvertreter appellierten an die Frauen, mehr Selbstvertrauen in Bewerbungsgesprächen zu zeigen. Und meinten, dass Frauen genauso oft wie Männer nach einer Gehaltserhöhung fragen müssten. Wobei Hartung betonte, es sei nicht so wichtig, dass man genau auf den Cent so viel wie ein Mann verdiene, sondern vielmehr, dass die Gesamtumstände im Job passen. Dem widersprach Kirchmayr-Schliesselberger, „Wenn ich meinen Job gut mache, möchte ich schon so viel verdienen wie mein Nachbar.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2017)

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