Videospiele: Sanktionen für eilige Verkäufer

Videospiele Sanktionen fuer eilige
Videospiele Sanktionen fuer eilige(c) REUTERS (GENE BLEVINS)
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Halten Online-Spieler ein Videogame bereits vor dem Erscheinungsdatum in ihren Händen, hat ihre Spielfigur einen Vorteil. Dem Verkäufer aber drohen Schadenersatzzahlungen und urheberrechtliche Konsequenzen.

Wien. Die mit Videospielen erzielten Umsätze haben längst jene von großen Hollywood-Filmen überholt. So hat zum Beispiel das Spiel „Call of Duty: Black Ops“ im vergangenen Jahr in den ersten fünf Tagen nach seinem Erscheinen Einnahmen von 650 Millionen US-Dollar erzielt. Nach nur sechs Wochen betrug der Umsatz eine Milliarde US-Dollar. Das Nachfolgespiel, „Call of Duty: Modern Warfare 3“ soll Analysten zufolge alle Rekorde brechen. So sollen in der ersten Verkaufsnacht 1,5 Millionen Spieler weltweit vor den Geschäften gewartet haben, um eine Kopie des Spiels bereits um Mitternacht zu erhalten.

Möglichst rasch ein neues Spiel zu erwerben ist für eingefleischte Fans und insbesondere bei jenen Spielen ein Muss, bei denen sich die Spieler über das Internet vernetzen und gegeneinander antreten können. Denn hier gilt: Wessen Spielfigur bereits mehr Erfahrung und Ausrüstung gesammelt hat, der wird andere, später eingestiegene Spieler leichter besiegen können. Den Bedürfnissen der Spieler entsprechend richten die Videospiele-Publisher sämtliche Werbeaktivitäten auf ein genau vorherbestimmtes Erscheinungsdatum des Spieles aus (auf den „Release“).

Kündigungsrecht des Herstellers

Als großes Ärgernis sowohl für Spieler als auch Publisher gilt daher, wenn sich einzelne Händler nicht an das vom Publisher vorgegebene Erscheinungsdatum halten und so einzelnen Spielern einen unfairen Spielvorteil verschaffen. Ein solcher vorzeitiger Verkauf kann für den Händler dabei aber rechtliche Konsequenzen haben.

Ist der Händler ein Vertragshändler des Publishers, so stellt der vorzeitige Vertrieb in der Regel eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar, die eine Schadenersatzpflicht für sämtliche Vermögensschäden begründet und den Publisher auch zur fristlosen Kündigung des Vertragsverhältnisses berechtigen könnte. Darüber hinaus gilt für alle Händler, dass der Vertrieb eines Videospieles vor seinem offiziellen Release eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann: Nach §16 des Urheberrechtsgesetzes kommt dem Spielehersteller das ausschließliche Recht zu, das Spiel zu verbreiten. Händlern wird (allenfalls schlüssig) nur die Lizenz erteilt, das Spiel ab seinem Erscheinungsdatum zu verbreiten.

Händler, die das zuvor tun, setzen sich Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen aus, da sie sich wohl nicht auf den Erschöpfungsgrundsatz nach § 16 Abs 3 des Urheberrechtsgesetzes berufen können. Der Erschöpfungsgrundsatz besagt, dass Werkstücke von jedermann verbreitet werden können, nachdem sie mit der Zustimmung des Urhebers in der EU bzw. im EWR in Verkehr gebracht wurden. Ein solches „In-Verkehr-Bringen“ mit Zustimmung des Urhebers liegt nach der Judikatur des OGH (4 Ob 331/75 – Fotografin und Maler) und einem Teil der Lehre jedoch erst dann vor, wenn das Werkstück durch das In-Verkehr-Bringen der Öffentlichkeit zugänglich wird. Die Großhändler, an welche der Publisher das Spiel verkauft, bzw. die Zwischenhändler, an die das Spiel vor dem Release-Datum mit Zustimmung des Herstellers weiterverkauft wird, stellen noch keine „Öffentlichkeit“ dar. Eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts vor dem Erscheinungstermin kann daher grundsätzlich verneint werden.

Ungeachtet einer gewissen Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit dem Erschöpfungsgrundsatz sollten Händler daher von Verkäufen vor dem Release Date Abstand nehmen, um sich keiner urheberrechtlichen Haftung auszusetzen.

Vorzeitiger Versand noch unproblematisch

Dies stellt vor allem Online-Händler vor besondere Herausforderungen: Die bloße Versendung eines Spiels vor dem Erscheinungstermin ist als solche keine dem Urheber vorbehaltene Verbreitung, da das verpackte Spiel noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Eine Verbreitung erfolgt vielmehr erst durch den Akt der Zustellung an die Endkonsumenten. Dies bedeutet, dass ein Online-Händler ein Videospiel vor dem Release-Datum zwar versenden, aber nicht zustellen darf.

Online-Händler haben somit eine Versandart zu wählen, bei der sichergestellt ist, dass die Zustellung frühestens am Erscheinungstag erfolgt. Dies kann entweder dadurch geschehen, dass das Videospiel erst am Vortag versendet wird, was jedoch bei einem längeren Postlauf zu Verspätungen und damit großer Kundenunzufriedenheit führen kann. Alternativ könnten Online-Händler Versanddienste verwenden, die eine Zustellung am Erscheinungstag – und keinesfalls davor – garantieren.

Da ein großer Teil der Umsätze mit einem Videospiel in den ersten Tagen erzielt wird, könnten Online-Händler trotz der oben geschilderten vertrags- und urheberrechtlichen Haftungsrisken aber versucht sein, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen und Videospiele bereits vor ihrem offiziellen Erscheinungsdatum zuzustellen. Selbst wenn der Hersteller das nicht bemerken sollte, besteht in diesen Fällen das zusätzliche Risiko für Händler, von Konkurrenten gemäß § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden.

Zusammenfassend gilt, dass der gesamte Markt für Videospiele sowohl aus Sicht der Spieler und Publisher als auch der Händler von Release Dates geprägt ist. Für die erzielbaren Umsätze gilt ebenso wie für die Rechtmäßigkeit des Vertriebs: Timing ist alles.

Mag. Alexander Schnider ist Rechtsanwalt, Dr. Lukas Feiler ist Rechtsanwaltsanwärter bei der Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH

Auf einen Blick

Der vorzeitige Verkauf von Videospielen kann Händler teuer zu stehen kommen. Diese Vertragsverletzung kann Schadenersatzpflichten für sämtliche Vermögensschäden auslösen und den Hersteller zur fristlosen Kündigung des Vertragsverhältnisses berechtigen. Zusätzlich drohen noch weitere Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche, die aus der Verletzung des Urheberrechts resultieren. Ein vorzeitiger Versand ist unproblematisch, aber nur, wenn die Ware nicht vor dem Release-Datum ankommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2011)

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