Lesben: Keine gemeinsame Obsorge

Lesben Keine gemeinsame Obsorge
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Eine Frau ließ sich im Ausland künstlich befruchten und wollte sodann gemeinsam mit ihrer Freundin in Österreich das Sorgerecht ausüben. Keine Chance, sagt der Oberste Gerichtshof.

[Wien] Wenn der Oberste Gerichtshof zuletzt schon beim Thema Samenspende den Lesben entgegenkommen wollte, dann vielleicht auch beim Sorgerecht. Das dachten sich zwei homosexuelle Frauen, die den Weg bis zum Höchstgericht beschritten. Eine der beiden Österreicherinnen hatte sich in Dänemark mit dem Samen eines anonymen Spenders befruchten lassen. Zurück in Österreich wollte die junge Mutter die Fürsorge für das Baby mit ihrer Freundin teilen. Das Paar beantragte das gemeinsame Sorgerecht.

Das erstinstanzliche Bezirksgericht Wien-Donaustadt weigerte sich aber, dieses Vorhaben zu genehmigen. Die gemeinsame Obsorge könne nämlich nur den leiblichen Eltern eingeräumt werden, nicht aber Stiefeltern. Diese dürften erst dann als Vormund eingesetzt werden, wenn der leibliche Elternteil die Berechtigung dazu verliert. Hier aber habe die Mutter des unehelich geborenen Kindes das Sorgerecht inne. Dazu kommt, dass ein gemeinsames Sorgerecht im Gesetz selbst dann nicht vorgesehen ist, wenn Personen eine Eingetragene Partnerschaft begründet haben. Diese Regel müsse dann auch für Homosexuelle gelten, die ihre Beziehung in einer „nicht institutionellen Lebensgemeinschaft“ führen. Das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen bestätigte das Urteil. Es sei ausgeschlossen, dass einem sogenannten Pflegeelternteil gemeinsam mit dem leiblichen Elternteil das Sorgerecht für das Kind eingeräumt werde. Selbst bei Eheleuten (Mann und Frau) sei eine derartige Regelung nicht vorgesehen, wenn einer der Partner ein Kind aus einer früheren Beziehung einbringt. Daher könne diese Regel auch für Homosexuelle ihre Wirkung entfalten, ohne dass diese diskriminiert wären. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof (OGH) sei aber zulässig, weil es zu dieser Rechtsfrage bisher nur ein einziges höchstgerichtliches Urteil gebe und die Gesetze seither mehrfach novelliert worden seien.

So wurden die Verpflichtungen gegenüber Stiefkindern verschärft. Seit 2010 gilt etwa, dass man alles tun muss, um das Wohl von Kindern zu schützen, die mit einem im selben Haushalt wohnen. Dies gilt somit auch für bloße Lebensgefährten des leiblichen Elternteils. Zudem erinnerten die Lesben ausdrücklich daran, dass  der OGH beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) beantragt hatte, das geltende Verbot der Samenspende für Lesben in Österreich zu kippen. Das Verbot verstößt laut OGH gegen das Recht auf Familienleben.
Die Entscheidung des VfGH steht zwar noch aus, aber wenn der OGH schon meine, dass die Fortpflanzungsmedizin Lesben offenstehen müsse,  dann müsse er konsequenterweise auch für die gemeinsame Obsorge für das Kind sein, argumentierten die Frauen. Irrtum, meinten die Höchstrichter, das seien rechtlich betrachtet zwei Paar Schuhe. Selbst wenn sich die Frau erst nach Absprache mit ihrer Freundin befruchten haben lassen sollte, würde dies an den geltenden Regeln zum Sorgerecht nichts ändern.

Verbot menschenrechtskonform

Auch aus den vergangenen Novellen im Familienrecht könnten die beiden Frauen nichts gewinnen. Der Gesetzgeber habe nämlich trotz aller Neuerungen selbst bei Eheleuten bewusst keine gemeinsame Obsorge vorgesehen, wenn einer der Partner das Kind in die Ehe miteingebracht hat. Für Homosexuelle finde sich im Gesetz über die Eingetragene Partnerschaft zudem noch ein klares Verbot, das Kind des Partners zu adoptieren. Diese Regelungen würden auch nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) widersprechen. Es gebe kein Recht darauf, die Obsorge für ein Kind zu erlangen, das nicht von einem selbst stamme, betonte der OGH (7 Ob 124/11b).
Bei der Samenspende hingegen hatte der OGH mit Verweis auf die EMRK eine Aufhebung des Verbots für Lesben beim VfGH beantragt. Der VfGH, der als einziges Gericht Gesetze aufheben kann, ist aber bei seinem Urteil nicht an die Erwägungen des OGH gebunden.

Auf einen Blick

Die Novellen im Familienrecht ändern nichts daran, dass Lesben kein gemeinsames Sorgerecht über ein Kind erlangen können, das eine der Frauen auf die Welt gebracht hat. Das entschied der Oberste Gerichtshof (OGH). Die Regelung diskriminiere Homosexuelle nicht und verstoße nicht gegen die Menschenrechtskonvention. Die Lesben hatten auch deswegen auf Unterstützung des OGH gehofft, weil dieser zuletzt die Samenspende für Lesben in Österreich erlauben wollte (das letzte Wort liegt hier beim Verfassungsgerichtshof). Samenspende und Sorgerecht seien aber unterschiedlich zu beurteilen, so der OGH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2012)

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