Wer den Prozess unnötig verzögert, wird zur Kasse gebeten

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Symbolbild(c) REUTERS (PASCAL LAUENER)
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Immer wieder stellte eine beklagte Partei in einem Verfahren ähnliche Anträge, die das Verfahren jahrelang aufhielten. Dem Kläger reichte es: Er forderte den Ersatz für alle Schäden, die durch die Verzögerungstaktik des Gegners entstanden. Zu Recht, befand der Oberste Gerichtshof.

Wien/Aich. In der Politik hat das Phänomen einen eigenen Namen: „Filibusterrede“ nennt man es, wenn ein Abgeordneter mit langatmigen Ausführungen Gesetzesvorhaben blockiert. Wer aber glaubt, vor Gericht eine Art Filibuster-Taktik anwenden zu müssen und durch zahlreiche Anträge den Prozess zu verzögern, der sei gewarnt: Ein brisantes Urteil des Obersten Gerichtshofs zeigt, dass man für die Folgen einstehen muss.

Im Mittelpunkt stand ein Zivilprozess, der sich über sieben Jahre erstreckte. Im Jahr 2004 war die Klage eingebracht worden, das endgültige Urteil wurde erst im Sommer 2011 gesprochen. Das Verfahren hatte sich in die Länge gezogen, weil die beklagte Partei zahlreiche Ablehnungs- und Delegierungsanträge gestellt hatte. Erfolgreich war davon nur einer. In der Sache selbst ging es um einen Kaufvertrag, den die Streitparteien abgeschlossen hatten. Die klagende GmbH forderte, dass die beklagte Partei den Weg dafür frei macht, dass Eigentumsanteile an einer Liegenschaft im Grundbuch eingetragen werden können. Die Klage war erfolgreich, aber eben erst 2011.

Bereits zuvor hatte die GmbH eine andere Klage eingebracht. Diesmal forderte sie, man möge feststellen, dass der Prozessgegner für alle Schäden haftet, die durch seine Prozessverzögerung zwischen Jänner 2006 und Juli 2010 entstanden seien. Denn der Prozessgegner habe das Verfahren durch aussichtslose Ablehnungs- und Delegierungsanträge verzögert. Das Ganze habe nur einen Sinn gehabt: nämlich die GmbH dazu zu bewegen, über den ursprünglichen Kaufpreis hinaus noch einmal 100.000 Euro zu zahlen. Man habe die Situation ausnützen wollen, weil man die Umsetzung eines Bauprojekts geplant hatte. Eine Verzögerung könne finanzielle Verluste bedeuten, zumal Baukosten steigen und Immobilienpreise sinken könnten. Die beklagten Personen wandten ein, dass das Bauprojekt noch gar nicht konkret in Angriff genommen worden sei – deswegen könne es sich auch gar nicht verzögern. Und die Anträge habe man nicht zur Verfahrensverzögerung eingebracht. Das zeige sich darin, dass immerhin ein Antrag durchgegangen ist.

Anträge „eindeutig unbegründet“

Das Grazer Landesgericht für Zivilrechtssachen sprach der GmbH Ersatz für alle Schäden zu, die durch die Verzögerung zwischen Jänner 2006 und Februar 2010 entstanden seien. Darüber hinaus sei es zu keiner weiteren Verzögerung mehr gekommen. Zuvor aber habe die beklagte Partei überwiegend rechtsmissbräuchlich gehandelt. Zwar stehe es vor Gericht grundsätzlich jedem und immer zu, eigene Interessen zu verteidigen. Man dürfe aber nicht willkürlich Verfahren verzögern. Bis auf einen Antrag seien jedoch alle anderen „unsubstanziiert, unerfindlich, eindeutig unbegründet“ oder ähnlich sinnfrei gewesen. Immer wieder hätten die Beklagten die gleichen Gründe in Anträgen geltend gemacht, etwa wenn es um Befangenheitsanzeigen ging. Mal seien Behauptungen zur Gänze wiederholt worden, mal leicht variiert.

Das Oberlandesgericht Graz in zweiter Instanz fand hingegen nicht, dass durch die Anträge ein Schaden entstanden sei. Es wies die Klage zur Gänze ab. Denn im Prozess sei es erst einmal um die Frage gegangen, ob die GmbH Alleineigentümerin der Liegenschaften werde. Die Klage auf Schadenersatz wurde jedoch bereits eingebracht, bevor über die Eigentümerfrage rechtskräftig entschieden worden war. Man könne aber keinen Schadenersatz zusprechen, wenn nicht spätestens bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz ein Schaden feststehe.

Irrtum, meinte der Oberste Gerichtshof. Schon vor längerer Zeit sei man von diesem Grundsatz abgegangen. Eine Feststellungsklage sei bereits dann gerechtfertigt, wenn es bloß möglich ist, dass es künftige Schadensfolgen gibt. Damit könne man spätere Beweisschwierigkeiten vermeiden. Und betrachte man die Vielzahl der offenbar unberechtigten Delegierungs- und Ablehnungsanträge, so gewinne man tatsächlich den Eindruck, dass es darum ging, das Verfahren zu verzögern. Der OGH stellte das Urteil des Erstgerichts wieder her: Die beklagte Partei, die den Prozess verschleppt hat, haftet für die daraus resultierenden Folgen (1 Ob 227/11f).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2012)

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