EuGH holt Urheber ins Urheberrecht zurück

EuGH holt Urheber Urheberrecht
EuGH holt Urheber Urheberrecht(c) REUTERS (INTS KALNINS)
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Der EU-Gerichtshof könnte nach den Auseinandersetzungen um das internationale Abkommen Acta erneut einen Impuls für die Weiterentwicklung des Urheberrechts geben – auch des österreichischen.

Wien. Nach den massiven Protesten gegen das internationale Handelsabkommen Acta vonseiten der Nutzerorganisation hat die EU-Kommission jetzt den Ball an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) weitergespielt. Der Vertrag zum Schutz des geistigen Eigentums und zum Kampf gegen Produktpiraterie soll durch den EuGH evaluiert werden. Einmal mehr schauen damit alle zum EuGH, wenn es darum geht, die urheberrechtlichen Rahmenbedingungen auszuloten, wie zuletzt schon im Fall des österreichischen Filmurheberrechts in Bezug auf das Verhältnis zwischen Filmregisseuren und Filmherstellern (Produzenten) geschehen.

Konsumenten kontra Industrie

Das Urheberrecht mit seinem Geflecht aus internationalen Abkommen und den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Form von Richtlinien scheint in den letzten Jahren zunehmend zum Spielfeld der Verwertungsindustrien einerseits und Konsumenten und Datenschützern andererseits zu werden. Nichts anderes spiegelt sich auch in den öffentlichkeitswirksamen Konflikten rund um Acta wieder. Klammheimlich haben es die Interessenvertreter der Verwertungsindustrien geschafft, Acta zumindest bis kurz vor die Ratifizierung voranzutreiben. Die Urheber als eigentliche originäre Rechteinhaber dienen hier nur allzu oft als Feigenblatt für ein handfestes kommerzielles Interesse.

Gegen diese Interessen und die immer weiter vorangetriebenen Forderungen nach Instrumentarien zur Rechtsdurchsetzung laufen Datenschützer und Konsumentenschutzorganisationen – zu Recht oder zu Unrecht – Sturm und propagieren das Recht auf freien Zugang zu Information und die Freiheit des Internets. Kaum jedoch findet in diesem Diskurs eine ausgewogene Auslotung des historischen Zwecks des Urheberrechts statt, um eine Antwort auf drängende Fragen der Zukunft des Urheberrechts nicht nur, aber auch abseits von rein kommerziellen Interessen zu finden. Indem der Diskurs diese Interessen der Urheber außer Acht lässt, droht aber das geistige Eigentum zunehmend seine Legitimation und Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu verlieren.

Historisch gesehen sollte das kontinentaleuropäisch geprägte Urheberrecht es dem Künstler ermöglichen, wirtschaftlich Nutzen aus seinem Werk als Existenzgrundlage für künstlerisches Schaffen zu ziehen und schützt in Form der Urheberpersönlichkeitsrechte zudem das ideelle Band zwischen Autor und Werk. Es wird wohl kaum einen Nutzer geben, der ein derartiges Interesse des von ihm verehrten Kunstschaffenden negiert oder dessen kreative Leistung nicht auch in Form von angemessenem Entgelt anzuerkennen bereit ist. Dennoch spielt genau dieser Aspekt im Diskurs kaum mehr eine Rolle. Vielleicht bringt gerade in diesem Punkt die Beurteilung des EuGH hier neue Aspekte ein.

Es lohnt sich hier ein Blick nach Österreich und auf das vor wenigen Wochen ergangene Urteil des EuGH zum österreichischen Filmurheberrecht („Die Presse“ hat berichtet).Abseits von Acta ist das österreichische Urheberrecht seit vielen Jahren durch Stillstand geprägt. Der österreichische Gesetzgeber hat sich in seinen Novellierungen auf das Notwendigste beschränkt, nämlich im Wesentlichen auf die Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben und der einschlägigen EU-Richtlinien.

Die wesentlichen Bestimmungen zum Filmurheberrecht gehen auf das Jahr 1936 zurück, nach der sogenannten Legalzession stehen kurz gefasst die Verwertungsrechte dem Filmhersteller (Produzenten) zu: eine Bestimmung, durch die sich die Filmurheber massiv benachteiligt fühlten. Insbesondere die Filmregisseure fordern seit Langem die Abschaffung und Novellierung des Gesetzes und fühlen sich durch diese Gesetzeslage übervorteilt. Auch darauf ist es wohl zurückzuführen, dass Filmregisseure in Österreich zunehmend dazu übergegangen sind, eigene Filmproduktionen zu gründen und ihre Filmwerke selbst zu produzieren. Blockiert werden Novellierungsbestrebungen auch hierzulande seit Jahren von den Interessenverbänden, der Gesetzgeber sieht tatenlos zu. Jetzt ist den Filmregisseuren der EuGH zu Hilfe gekommen und hat den originären Anspruch der Filmregisseure auf die Verwertungsrechte am Filmwerk und ihren Anspruch auf einen angemessenen Anteil aus den sogenannten Vergütungsansprüchen betont.

Schutz für Filmregisseure

In einem vom Handelsgericht Wien eingeleiteten Vorab-Entscheidungsverfahren kommt der EuGH sehr klar zum Ergebnis, dass bei einem Filmwerk das Vervielfältigungsrecht, das Recht zur Ausstrahlung über Satellit und jedes andere Recht zur Wiedergabe im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung kraft Gesetzes unmittelbar und originär dem Hauptregisseur (Filmurheber) und eben nicht dem Filmhersteller zustehen (C-277/10, Luksan). Nationale Rechtsvorschriften dürfen diese Verwertungsrechte nicht kraft Gesetzes ausschließlich dem Produzenten zuweisen. Zudem steht das Unionsrecht auch einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift entgegen, nach der der Hauptregisseur des Filmwerks auf seinen Anspruch auf einen gerechten Ausgleich verzichten kann. Es darf daher auch keine unwiderlegbare Vermutung der Abtretung der Vergütungsansprüche des Hauptregisseurs an den Produzenten aufgestellt werden.

Durch diese Entscheidung des EuGH werden letztlich der Urheber und seine Rechte am Werk ins Zentrum gerückt. Der österreichische Gesetzgeber wäre nun endlich explizit gefordert, eine ausgewogene (gemeinschaftsrechtskonforme) Gesetzeslage herzustellen, wodurch das Urheberrecht seinem Zweck als Rechtsmaterie, in deren Zentrum der Künstler steht, gerecht wird. Dies sollte nicht nur für die Filmregisseure im Speziellen, sondern für alle Kreativen gelten. Schließlich fordern auch Autoren, Komponisten und bildende Künstler seit Jahrzehnten ein ausgewogenes Urhebervertragsrecht zum Schutz vor Übervorteilung durch die Verwerter und Produzenten, die oftmals vergessen zu haben scheinen, wessen Rechte hier als Faustpfand dienen. Denn dass künstlerisches Schaffen eines Schutzes bedarf, werden wohl auch Datenschützer und Konsumentenschutzvertreter anzuerkennen bereit sein. Abzuwarten bleibt, ob der österreichische Gesetzgeber jetzt diese Chance erkennt.

Dr. Harald Karl ist Partner der Kanzlei Pepelnik & Karl Rechtsanwälte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2012)

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