Schwiegervater beleidigt, Unterhalt verwirkt

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Während man sich in Ehekonflikten einiges an den Kopf werfen kann, darf man einen kranken Schwiegervater nicht erniedrigen. Sonst riskiert man, das Recht auf Alimente gänzlich zu verlieren.

Wien. Selbst wenn die Scheidung schon eingebracht ist, kann man seinen Unterhaltsanspruch zur Gänze verwirken – nämlich dann, wenn man sich komplett danebenbenimmt. Die Voraussetzungen dafür sind aber streng und müssen über eine bloße Eheverfehlung hinausgehen. Bei einem turbulenten Fall aus Kärnten war es am Obersten Gerichtshof, für Klarheit zu sorgen.

Im Mittelpunkt stand eine Ehe zwischen einem österreichischen Pensionisten und einer 15 Jahre jüngeren russischen Staatsbürgerin. 2005 schloss man die Ehe. Auch die einkommenslose Schwester der Russin durfte in den Kärntner Bungalow des Mannes einziehen, der Mann gab für sie sogar eine Haftungserklärung ab. 2007 erlitt aber der Vater des Mannes einen Schlaganfall. Der Mann nahm den Vater nun im Bungalow auf, worüber die Frau „nicht sehr erbaut“ war.

Sie machte ohnedies eine schwere Zeit durch: Sie werkte als Dolmetscherin bei der Verlegung von straffälligen Asylwerbern und sollte 2008 auch bei einer Pressekonferenz mitwirken, wozu sie aber nicht „fähig“ war. Zudem erlitt sie bei einem Verkehrsunfall eine Verletzung an der Halswirbelsäule. Immer wieder machte die Frau dem Ehemann Vorhaltungen, weil der Schwiegervater das Eheleben belaste. Im Sommer 2008 erklärte die Frau gar, sie sei „in so einen Dreck wie Österreich gekommen“, führe „eine Ehe zu dritt“ und beginne den Schwiegervater zu hassen. Sie sei schließlich nicht zum Arbeiten nach Österreich gegangen. Ein anderes Mal drohte die Frau dem Ehemann sogar an, dass ihn „tausend Tschetschenen“ umbringen werden, sie habe schließlich Kontakte. Als sie im Zuge einer Auseinandersetzung den Ehemann mit beiden Armen umfasste und ihn kratzte, gab dieser der Frau eine Ohrfeige, riss sich los und schlug auf die Gattin ein. Im August 2008 fuhr die Frau für rund drei Wochen nach Georgien zu ihren Eltern, nach der Rückkehr brachte sie die Scheidungsklage ein.

Drohungen und Anzeigen

Im Bungalow eskalierte die Situation immer mehr: Die Frau warf Gläser, schlug mit Türen, kümmerte sich gar nicht mehr um Mann und Schwiegervater. Mehrfach erstatte die Frau Anzeigen gegen den Mann: Dieser zwinge sie, den Schwiegervater zu pflegen, er drohe, sie umzubringen, er habe sie „erpresst“, 15.000 Euro zu nehmen und dafür aus dem Haus auszuziehen. Im August 2009, als die Frau wieder von einem Aufenthalt in Georgien zurückkam, wurde der Ton noch heftiger: Sie „tanzte“ eine halbe Stunde um ihren Ehegatten herum und erklärte, sie werde ihn und den Schwiegervater solange tyrannisieren, bis sie sterben. Zum Schwiegervater sagte die Frau, er würde nur „fressen, scheißen und gut leben“. In Richtung Ehemann schrie die Frau vor der Haustüre, er werde im Gefängnis landen, denn er sei ein Verbrecher. Zwar arbeite die österreichische Justiz sehr langsam, aber es sei alles möglich. Am Tag darauf schritt die Staatsgewalt tatsächlich ein – aber, um den Mann und den Vater zu schützen: Die Frau wurde mithilfe der Polizei vom Gerichtsvollzieher aus dem Bungalow verwiesen.

Die Frau habe das Recht auf Unterhalt trotzdem nicht verwirkt, meinte das Bezirksgericht Klagenfurt. Beide Eheleute hätten Verfehlungen gesetzt, so habe der Mann auch im März 2008 eine Zeitungsannonce aufgegeben, in der er eine „erotische Frau“ suchte. Das Landesgericht Klagenfurt sah die Sache anders: Die Frau habe seit Mitte 2008 wiederholt mit Existenzvernichtung gedroht und Einrichtungsgegenstände zerstört. Wer sich so aufführe, habe den Unterhaltsanspruch verwirkt. Der Mann hingegen habe ein Recht gehabt, zumindest vorübergehend den kranken Vater aufzunehmen.

Leben „drastisch“ verschlechtert

Der Oberste Gerichtshof gab der Frau wieder teilweise recht: So sei das Verhalten, das sie im Jahr 2008 gegenüber dem Ehemann gesetzt hatte, zwar unentschuldbar. Es sei aber nicht so schlimm, dass der Unterhalt verwirkt wurde. Auch der Mann habe sich danebenbenommen, und die Frau habe damals noch ihren Willen zur Ehe bekundet, weil sie etwa vorschlug, gemeinsam zum Psychologen zu gehen. Anders seien aber die Äußerungen im August 2009 zu beurteilen: Da habe sich die Frau direkt gegenüber dem Schwiegervater, „einem alten, schwer kranken Mann, extrem beleidigend und herabsetzend verhalten“. Die Frau habe in Kauf genommen, dass sich das Leben des Schwiegervaters „drastisch“ verschlechtere. Ein solches Verhalten sei aber selbst bei einer von beiden Gatten verursachten Ehekrise „so unerträglich“, dass der Unterhaltsanspruch ab August 2009 verwirkt sei (5 Ob 249/11w).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2012)

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