Öffentliche Aufträge: Vergabeamt verschärft Sanktionen

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Die Bauernsozialversicherung muss Rekordgeldbuße von 90.000 Euro zahlen, weil sie das Vergabegesetz verletzt hat. Das sind rund zehn Prozent des Auftragswerts.

Wien. Das Bundesvergabeamt hat eine Rekordgeldbuße von 90.000 Euro verhängt. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern muss sie zahlen, weil sie bei der Beschaffung von Zeckenimpfstoff das Bundesvergabegesetz nicht eingehalten und „Direktvergaben“ ohne Ausschreibung durchgeführt hat. Deshalb wurden auch zwei Verträge über die Lieferung des FSME-Impfstoffs für nichtig erklärt.

Sozialversicherungsanstalten müssen bei der Beschaffung von Leistungen das Bundesvergabegesetz einhalten. Dies gilt auch für den Bezug von FSME-Impfstoff, den die Sozialversicherungsanstalt der Bauern kürzlich beschafft hat. Allerdings – wie das Bundesvergabeamt im Bescheid N/0028-BVA /10/2012 festhielt – rechtswidrig. Deshalb wurden die geschlossenen Verträge vom Vergabeamt für nichtig erklärt. Als abschreckende Maßnahme muss die Sozialversicherungsanstalt ein Bußgeld von rund zehn Prozent des Auftragswerts an den Bund zahlen – das ergab 90.000 Euro, während der bisher höchste (Einzel-)Betrag bei 15.000 Euro lag.

Die Bauernsozialversicherung hatte die Lieferung von FSME-Impfstoff samt Impfbedarf für eine Zeckenimpfaktion für ihre Anspruchsberechtigten ausgeschrieben (offenes Verfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung). Im Zuge dieses Verfahrens wählte sie eine Bietergemeinschaft als Partnerin der Rahmenvereinbarung aus. Die zweitgereihte Bieterin, einer der wenigen Hersteller von FSME-Impfstoff, hat diese Entscheidung als rechtswidrig bekämpft. Gleichzeitig wurde eine einstweilige Verfügung beantragt, um den Abschluss des Vertrages zwischen der Sozialversicherung und der (vermeintlichen) Billigstbieterin zu untersagen.

„Gefahr für Leib und Leben“

In einem aufwendigen Provisorialverfahren berief sich die Sozialversicherung auf eine Gefahr für Leib und Leben ihrer Anspruchsberechtigten. Sie argumentierte, dass umgehend mit der Impfaktion begonnen werden müsse, weshalb das Bundesvergabeamt die einstweilige Verfügung nicht erlassen dürfe. Das Amt entschied jedoch anders: Die Sozialversicherungsanstalt hätte die Verzögerung durch eine allfällige Anfechtung in ihrem Zeitplan berücksichtigen müssen. Deshalb wurde das Vergabeverfahren – für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens – erst einmal gestoppt. In weiterer Folge stellte die Behörde auch fest, dass die Entscheidung der Sozialversicherung rechtswidrig war: Diese hat es unterlassen, den sehr niedrigen Angebotspreis der (vermeintlichen) Billigstbieterin im Detail zu hinterfragen. Die Sozialversicherung musste die Angebotsprüfung wiederholen und die einzelnen Angebotspreise (vertieft) auf ihre Plausibilität hin prüfen.

Während die Sozialversicherung die Angebotspreise ungewöhnlich lang prüfte (von der zunächst behaupteten Gefahr für Leib und Leben ihrer Anspruchsberechtigten war plötzlich keine Rede mehr), stellte sich Folgendes heraus: Die Sozialversicherung bezog dennoch FSME-Impfstoff – und dies von einem Mitbewerber der Antragstellerin. Diese Lieferung wurde ebenso bekämpft. Zur Rechtfertigung ihres Vorgehens zog die Sozialversicherung jedoch eine Rahmenvereinbarung aus dem Jahr 2011 „aus dem Ärmel“.

Diese (alte) Rahmenvereinbarung berechtige die Sozialversicherungsanstalt nach eigenen Angaben zum Abruf des FSME-Impfstoffs. Warum sie zunächst ein neues Vergabeverfahren durchführte, obwohl sie sich dann auf einen bestehenden Vertrag berief, blieb offen.

Das Bundesvergabeamt hatte daher zu prüfen, ob der Abruf des FSME-Impfstoffes aus dieser (alten) Rahmenvereinbarung gedeckt ist. Genau das hat die Behörde aber verneint: Denn die Lieferung des FSME-Impfstoffes erfolgte an nicht vorgesehene Standorte; auch wurde die in der Rahmenvereinbarung vereinbarte Menge an FSME-Impfstoff drastisch überschritten.

Impfungen bereits verabreicht

Die Abrufe des FSME-Impfstoffs fanden somit keine Deckung in der Rahmenvereinbarung; dies war als rechtswidrige Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung zu werten. Da die nichtig erklärten Verträge aber nicht mehr rückabgewickelt werden konnten (der bezogene Impfstoff wurde bereits verabreicht), hat das Bundesvergabeamt – als abschreckende Maßnahme – das höchste jemals verhängte Bußgeld auferlegt. Die Entscheidung ist rechtskräftig, die Sozialversicherung könnte allerdings noch den Verwaltungs- und den Verfassungsgerichtshof anrufen.

Die Verhängung von Geldbußen infolge rechtswidriger Auftragsvergaben ist in Österreich äußerst selten. Das Bundesvergabegesetz sieht die Möglichkeit derartiger „alternativer Sanktionen“ erst seit 2009 vor.

Der Fall zeigt deutlich, wie essenziell es für öffentliche Auftraggeber ist, rechtskonform vorzugehen. Eine Geldbuße von zehn Prozent des Auftragswerts kann schnell die Grenze von mehreren Mio. Euro überschreiten. Die Auftraggeber sollten ihre Zeit verstärkt dazu nutzen, ein effektives Vergabe-Compliance-Programm einzuführen.

Dr. Johannes S. Schnitzer, LL.M., ist Rechtsanwalt, Mag. Wolfgang Lauchner Rechtsanwaltsanwärter bei Wolf Theiss (am Verfahren auf Bieterseite beteiligt).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2012)

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