Vorratsdaten: Zu leichter Zugriff?

(c) AP (Thomas Kienzle)
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Regeln für Sicherheitsbehörden werden von Expertenseite beanstandet. Erhebliche Defizite seien beim individuellen Rechtsschutz vor allem dort auszumachen, wo es um geheime staatliche Überwachungsmaßnahmen geht.

Wien/Aich. Seit 1. April gilt in Österreich die Vorratsdatenspeicherung. Sie geht auf eine EU-Richtlinie zurück, die eine anlasslose Speicherung von Daten im Zusammenhang mit schweren Straftaten vorsieht. Darauf hat der heimische Gesetzgeber auch Rücksicht genommen, soweit es um Befugnisse der Justiz zur Aufklärung von Straftaten geht. Anders sehe es aber bei den (präventiv tätig werdenden) Sicherheitsbehörden aus, warnt der Salzburger Verfassungsjurist Walter Berka in seinem Gutachten für den Juristentag.

Dort fehle „zum Zugriff auf Vorratsdaten jede auf die Schwere einer drohenden Straftat bezogene Einschränkung“, schreibt Berka. Einzig bloße Fahrlässigkeitsdelikte seien nicht erfasst. Der zentrale Gesichtspunkt, auf den es für einen verfassungsrechtlichen Ausgleich ankäme, bleibe vom Gesetzgeber unberücksichtigt, betont Berka.

In seinem Gutachten zum Thema „Das Grundrecht auf Datenschutz im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit“, stellt Berka zusammenfassend zehn Thesen auf. Der Professor kommt dabei etwa zum Schluss, dass die „verfassungsrechtlichen Bedingungen und Grenzen für Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Privatheit bei der jüngeren Sicherheitsgesetzgebung nicht durchgängig respektiert werden“.

Defizite beim Rechtsschutz

Erhebliche Defizite seien beim individuellen Rechtsschutz vor allem dort auszumachen, wo es um geheime staatliche Überwachungsmaßnahmen geht. Der Verfassungsjurist kritisiert, dass dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit neben der Vorratsdatenspeicherung auch bei einzelnen Eingriffsbefugnissen in der Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz nicht ausreichend nachgekommen wurde.

Berka macht sich in seinem Gutachten auch ganz grundsätzliche Gedanken. So betont er, dass die gesellschaftliche Freiheit bereits dann bedroht sein kann, wenn es noch keine umfassende Überwachung gibt. Denn je mehr Daten über die Menschen in der Hand des Staats und seiner Behörden zusammenfließen und ohne strikte Regeln verarbeitet werden, umso größer werde die Gefahr, „dass sich die gesellschaftliche Wilensbildung nicht mehr als in Freiheit ablaufender Prozess realisiert“. Der demokratische Verfassungsstaat müsse daher seine Widerstandsfähigkeit beweisen, appelliert Berka.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2012)

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