Grasser: Geheimnisschutz hat Grenzen

Geheimnisschutz Grenzen
Geheimnisschutz Grenzen(c) Dapd (Ronald Zak)
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Der Oberste Gerichtshof hat einen Beschluss getadelt, der die Beschlagnahme von Unterlagen bei Grassers Steuerberater für unzulässig erklärt hatte. Das überrascht nicht.

Innsbruck. Kürzlich hat der OGH einen Beschluss des OLG Wien für gesetzwidrig erklärt, der die Durchsuchung der Kanzlei des Steuerberaters von Karl-Heinz Grasser und die Beschlagnahme von Unterlagen für unzulässig erklärt hatte (13 Os 66/12y). Nach Ansicht des OLG Wien sei eine Durchsuchung bei einem Steuerberater, dessen Berufsgeheimnis geschützt ist, nur bei dringendem Tatverdacht gegen den Steuerberater zulässig, der in dem konkreten Fall verneint wurde.

Sonderstellung im Strafprozess

Zur Rechtslage: Manche Träger von Berufsgeheimnissen wie Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater (nicht auch Ärzte!) haben im Strafverfahren eine Sonderstellung: Sie können als Zeugen die Aussage über das, was ihnen „in ihrer Eigenschaft bekannt geworden“ ist, verweigern, und dieses Aussageverweigerungsrecht darf bei sonstiger Nichtigkeit auch nicht – etwa durch die Durchsuchung der Kanzlei und die Beschlagnahme von Unterlagen – umgangen werden. Andernfalls könnte ein Beschuldigter sich nicht vertrauensvoll an die betreffenden Personen wenden und sie rückhaltlos informieren; er müsste befürchten, dass Beweise entstehen, die zu seinem Nachteil verwendet werden.

Das bedeutet aber nicht, dass eine Hausdurchsuchung und Sicherstellung von Unterlagen bei Parteienvertretern generell verboten wären: Derartige Ermittlungsmaßnahmen sind zum einen immer dann zulässig, wenn der Parteienvertreter selbst im Verdacht einer strafbaren Handlung steht, etwa als Beitragstäter. Davon abgesehen hat der OGH schon vor 20 Jahren festgestellt, dass trotz des Berufsgeheimnisses nur solche Unterlagen vor dem Zugriff der Justiz geschützt sind, die aufgrund der Beziehung des Parteienvertreters mit seinem Klienten erst entstanden sind: also insbesondere Klienteninformationen, angefertigte Gesprächsnotizen.

Nicht geschützt und daher möglich zu beschlagnahmen sind andere Beweismittel wie beispielsweise Rechnungen, Belege und sonstige Buchhaltungsunterlagen, die schon vor der Kontaktaufnahme mit dem Anwalt, Steuerberater usw. existierten und diesem übergeben wurden. Das ist auch richtig, weil Beschuldigte sonst auf diese Weise unschwer belastendes Beweismaterial durch Übergabe an den Parteienvertreter vor der Justiz in Sicherheit bringen könnten. Die Entscheidung des OGH ist in dieser Hinsicht nicht neu; dennoch kann im Einzelfall strittig sein, ob bestimmte Unterlagen dem Schutz des Berufsgeheimnisses unterliegen oder nicht.

Eine Hausdurchsuchung mit Sicherstellung von Unterlagen bei Berufsgeheimnisträgern ist ein sehr sensibler Grundrechtseingriff, weil der Polizei dabei auch Informationen über andere Personen in die Hände fallen können, die keinerlei Bezug zum aktuellen Verfahren haben. Daher enthält die Strafprozessordnung weitere Schutzbestimmungen: Einer Hausdurchsuchung bei einem Parteienvertreter ist ein Vertreter der zuständigen Kammer beizuziehen, und der Betroffene kann verlangen, dass die sichergestellten Unterlagen an Ort und Stelle „versiegelt“ werden. Dann muss das Gericht die Unterlagen sichten und entscheiden, welche beschlagnahmt und zum Akt genommen werden und welche dem Beweisverbot unterliegen und daher zurückzustellen sind.

Rückgabe unwahrscheinlich

Unklar ist im konkreten Fall, warum die Unterlagen trotz der Entscheidung des OLG Wien dem Steuerberater nicht wieder ausgefolgt wurden, wie es das Gesetz vorsieht. Jetzt, nach der Entscheidung des OGH, wird das vermutlich nicht mehr geschehen: Auch wenn der OGH die Gesetzesverletzung bloß festgestellt hat, da der Beschluss des OLG Wien im ordentlichen Rechtsweg nicht mehr bekämpfbar war, können im Laufe eines Verfahrens neue gleichartige Ermittlungsmaßnahmen notwendig werden. Daher ist es möglich, ja angesichts der OGH-Entscheidung sogar sehr wahrscheinlich, dass das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme der noch immer bei Gericht liegenden Unterlagen jetzt bewilligt.

Univ.-Prof. Dr. Klaus Schwaighofer lehrt Strafrecht in Innsbruck.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2012)

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