Steuern: Erbschaft ja, Vermögen nein

Steuern Erbschaft Vermoegen nein
Steuern Erbschaft Vermoegen nein(c) Dapd (Kerstin Joensson)
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Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Vorständin des Instituts für Finanzrecht der Uni Wien, hat untersucht, wie das Steuerrecht gerechter gemacht werden könnte.

Wien. Nachdem Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) kürzlich eine Steuerreform mit Senkung des niedrigsten Einkommensteuersatzes angekündigt hatte, lautete sehr bald die gemeinsame Sprachregelung mit ihrem nicht so begeisterten Parteichef und Vizekanzler Michael Spindelegger: Ja, aber nicht jetzt. Denn Geld für jegliche Steuersenkung ist im Moment keines vorhanden. Experten sehen allerdings Möglichkeiten, die Steuerlast zwar insgesamt nicht zu verringern, aber immerhin gerechter zu verteilen und dabei sehr wohl auch Steuern zu senken.

Wie das gehen könnte, das erläuterte kürzlich Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Vorständin des Instituts für Steuerrecht an der Universität Wien, bei einer Tagung in Wien. Vollkommen „gerecht“ könne man ein Steuersystem nicht machen, „aber man könnte an einigen Schrauben ein bisschen drehen“, sagte die Steuerrechtsprofessorin und Steuerberaterin bei den „5. Wiener Oktobergesprächen“ (veranstaltet von der Uni Wien und der Anwaltskanzlei Engelbrecht und Partner). Kirchmayr saß als unabhängige Expertin in der Steuerreformkommission der Finanzministerin, äußerte im Vortrag aber ihre persönliche Meinung.

•Verwaltungsreform. „Die beste Steuerreform wäre eine Verwaltungsreform“, sagte Kirchmayr. Da die Steuerbelastung (inkl. Sozialversicherung) in Österreich mit 42,8% im internationalen Vergleich schon sehr hoch ist, müsste zuallererst an Einsparungen in der Verwaltung gedacht werden. „Vier übereinandergestapelte Schulinspektoren“ brauche man nicht, so die Expertin mit Blick auf die aufgeblähte Schulverwaltung.

•Föderalisierung. Politiker sollten bei Geld, das sie ausgeben, auch das Eintreiben verantworten: „Das Wahlverhalten der Kärntner wäre anders, wenn das, was die Landesregierung ausgibt, auch bei ihnen eingenommen würde. Die Freude über 100 Euro für einen Kärntner Anzug wäre weniger groß.“ Derzeit aber habe immer der Bund den Schwarzen Peter, indem er fast alle Steuern einnehme und per Finanzausgleich einen Teil den Ländern weitergebe.

•Steuertarif. Am Einkommensteuertarif, der derzeit nominell mit 36,5/43,2/50% gestaffelt ist, gibt es vielerlei auszusetzen. Einmal, dass die Steuerpflicht relativ spät einsetzt, nämlich bei einem Jahreseinkommen von 11.000 Euro (erhöht durch Absetzbeträge). Dann der hohe Sprung gleich auf mehr als ein Drittel, dem eine Abflachung folgt. Schließlich die umständliche, nahezu flächendeckende Absenkung des theoretisch „allgemeinen“ Tarifs durch die Begünstigung des 13. und 14. Monatsgehalts (bzw. für Selbstständige den Gewinnfreibetrag – beides zusammen kostet etwa sechs Mrd. Euro): auf 32/38/44%. „Man könnte den Tarif dramatisch vereinfachen“, sagte Kirchmayr. Bei der Gelegenheit könnte man „ein bisschen mehr Gerechtigkeit hineinpacken“, etwa mit einem gesenkten Einstiegssteuersatz (s. Fekter). Nur müsste man die „heilige Kuh des 13. und 14.Gehalts schlachten“.

•Progressive SV-Beiträge. Zu einer Tarifreform gehört für Kirchmayr auch, die Sozialversicherungsbeiträge mit der Steuerprogression zu verknüpfen und nicht – wie bisher – mit einer Höchstbemessungsgrundlage zu begrenzen. Denn die bewirkt eine „etwas eigentümliche Belastungswirkung“, auch Mittelstandsbuckel genannt: Einkommensbezieher, die auf der vorletzten Progressionsstufe stehen, aber noch nicht die Höchstbemessungsgrundlage erreicht haben, zahlen prozentuell mehr Steuer und Sozialversicherung als Bezieher höherer Einkommen. „Das kann nicht gerecht sein.“

•Ausnahmen streichen. Auch andere Begünstigungen gehörten gestrichen, etwa das „lachhafte“ Taggeld von 26,40 Euro, das Dienstnehmern zustehe, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlassen (weil sie sich überall anders angeblich nur teurer versorgen können). Oder die diversen Schmutz-, Erschwernis-, Sonntags- und Überstundenzuschläge: Warum soll dafür die Allgemeinheit via Steuerbefreiungen in die Tasche greifen und nicht der jeweilige Dienstgeber mehr zahlen?

•Kapitalertragsteuer. Eine Anhebung der mit 25% relativ geringen KESt – in ihrem Bereich eine Art Flat Tax – könnte Kirchmayr sich vorstellen, etwa auf 30%. Dazu bedürfte es aber wohl einer Verfassungsänderung, denn die KESt ist derzeit mit der Höhe des Spitzensteuersatzes begrenzt, und den anzuheben wäre „nicht opportun“.

•Flat Tax: Unsinn. Einen einheitlichen Steuersatz für die Einkommensteuer festzusetzen, hielte Kirchmayr hingegen für „schlichten Unsinn“. Denn: „Wie will man den finanzieren?“ Man müsste in den steuerfreien Bereich „hineinschneiden“ (der auch jedem Steuerzahler zugute kommt). Das wäre politischer Selbstmord.

•Grundstücke. Kräftiger zugreifen könnte der Fiskus hingegen bei der – erst heuer eingeführten – Besteuerung von Grundstücksveräußerungen; Kirchmayr sieht nicht ein, warum ausschließlich hier die Inflation steuermindernd berücksichtigt wird, während Sparern die Zinserträge durch die Geldentwertung zunichte gemacht werden und Lohnsteuerzahler unter der kalten Progression leiden.

•Vermögen. Eine Vermögensteuer auch auf hypothetische Erträge lehnt Kirchmayr hingegen ab: Abgesehen davon, dass bei Kapitalerträgen („hier spielt die größte Musik“) die verfassungsrechtlich fixierte Abgeltungswirkung der KESt erst beschränkt werden müsste, ließe sich die Vermögensteuer hier wegen des Bankgeheimnisses nur als Abzugssteuer durch die Banken eintreiben. Um Steuerfreibeträge geltend zu machen, müssten Kleinanleger zum Finanzamt gehen. „Was soll in Relation zum Verwaltungsaufwand herauskommen?“

•Erbschaft. Die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer wäre für Kirchmayr die bessere Alternative: mit einem moderaten Tarif und großzügigen Freibeträgen.

•Tobin-Tax schädlich. Von der – in bisher elf EU-Staaten – geplanten Finanztransaktionssteuer hält Kirchmayr hingegen gar nichts. „Wenn man sie nicht global macht, dann ist sie nur schädlich für jene Länder, die mitmachen.“ Auch Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria, kritisierte bei der Tagung die Finanztransaktionssteuer scharf: ein „reines Opium“, eine Steuer, die bei enormem Aufwand nur einen minimalen Ertrag verspreche. Die Bank Austria etwa hätte ihre Investmentbank vor zwei Jahren verkauft, und doch seien deren Umsätze noch in den Kalkulationen der Regierung enthalten.

Bruckbauer hatte aber auch Positives zu vermerken: Die Einkommensverteilung in Österreich sei „trotz der Lamentiererei in vielen Medien“ sehr ausgewogen, die Lebenschancen seien vergleichsweise gerecht. Allerdings würden die Anforderungen ans Steuersystem, effizient und gerecht zu sein, angesichts drohender Verteilungskämpfe eher steigen als sinken: „Wir können es uns nicht leisten, dass Teile nicht ordentlich versteuert sind“, sagte Bruckbauer.

Zur Person

Sabine Kirchmayr-Schliesselberger ist Vorständin des Instituts für Finanzrecht der Universität Wien. Die gebürtige Welserin hat in Innsbruck Rechts- und Sozial- und Wirtschaftswissenschaften studiert. Vor ihrer Berufung nach Wien hat sie in Salzburg gelehrt. Kirchmayr ist als Steuerberaterin auch in der Praxis tätig. [Mirjam Reither]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2012)

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