Sanierungen: Banken einigen sich auf Regeln

Feilten an den neuen Restrukturierungsregeln: Gabriele Schiemer (RBI) und Wolfgang Höller (Schönherr Rechtsanwälte).
Feilten an den neuen Restrukturierungsregeln: Gabriele Schiemer (RBI) und Wolfgang Höller (Schönherr Rechtsanwälte).(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Restrukturierungen: Manche Insolvenzen sind unvermeidlich, andere hätten nicht sein müssen, hätten alle Gläubiger an einem Strang gezogen. Solche Fälle sollen durch ein neues Regelwerk seltener werden.

Wien. Außergerichtliche Restrukturierungen können funktionieren– oder auch nicht. Bei der Alpine im Frühjahr ging es schief. Selbst die „beträchtliche Unterstützung der finanzierenden Banken“ – so eine Ad-hoc-Meldung Mitte Juni – nützte da nichts mehr.

Es gibt aber auch Erfolgsgeschichten. Eine schon länger zurückliegende ist die von RHI – dort gelang 2002 die Sanierung. „Die Banken haben sich etwas getraut und wurden belohnt“, sagt Insolvenzexperte Georg Kantner vom Kreditschutzverband (KSV 1870). Das heutige ATX-Unternehmen sei wie ein Phönix aus der Asche gestiegen. Das habe auch ein Umdenken bei Kreditgebern eingeläutet: Der „außergerichtliche Ausgleich“, der bis Ende der 1980er-Jahre gängig war, dann aber an Bedeutung verlor, kam wieder in Mode.

Es folgte eine Reihe außergerichtlicher Sanierungen, über die recht wenig öffentlich bekannt wurde. Denn im Normalfall läuft so etwas diskret ab. Gerade das ist ein starkes Argument für einen außergerichtlichen Rettungsversuch. Läuft nämlich erst einmal ein Insolvenzverfahren, „reißt der bestehende Handelskredit ab“, so Kantner. Das heißt: Man bekommt Lieferungen nur mehr gegen Vorauskasse. Das Liquiditätsproblem wird dann noch größer.

Alle müssen mitmachen

Bei außergerichtlichen Restrukturierungen sei es deshalb auch so wichtig, dass die Warenkreditversicherer nicht abspringen, sagt Wolfgang Höller, Partner bei Schönherr Rechtsanwälte. Bleiben sie nicht mit an Bord, ist das Schicksal des Unternehmens oft besiegelt.

Das ist aber nicht der einzige Knackpunkt. Alle Beteiligten müssen beim Rettungsversuch konstruktiv mitwirken – die Bereitschaft dazu sei aber manchmal enden wollend, sagt Höller. Heikel wird es vor allem, wenn einzelne Gläubigerbanken eine komfortablere Position haben als die anderen. Da ihre Forderungen besser besichert sind – oder aber so überschaubar, dass sie es eher als andere Mitbetroffene auf einen Ausfall ankommen lassen können.

„Es scheitert manchmal an vergleichsweise geringen Beträgen“, sagt Höller. „Wenn fünf Banken stunden und die sechste nicht mitmacht, ist oft der Rollbalken unten“, bestätigt Gabriele Schiemer, Head of Corporate Restructuring bei der RBI. Das Unternehmen ist dann Geschichte, die Arbeitsplätze sind weg, den unbesicherten Gläubigern bleibt höchstens die Quote. Das tut allen weh, außer vielleicht der einen Gläubigerbank, die gut besichert war – oder aber das Unternehmen „aus Prinzip“ sterben lassen wollte. Aber selbst diese hat sich auf längere Sicht nicht unbedingt etwas Gutes getan: In einem anderen Fall wird sie wieder mit denselben anderen Gläubigern am Tisch sitzen. Und dann womöglich in der schwächeren Position sein.

Einigung auf Spielregeln

Überlegungen wie diese sind wohl auch ein Grund, dass sich ein Großteil der heimischen Banken nun auf eine Art „Code of Conduct“ für außergerichtliche Restrukturierungen verständigt hat. Die Initiative dafür ging von Höller und den Restrukturierungsexperten dreier Großbanken aus: Schiemer (RBI), Ralf Zeitlberger (Erste Group) und Harald Brückl (Uni-Credit Bank Austria). In Anlehnung an das „Statement of Principles“ von Insol International (einer Vereinigung für insolvenzrechtliche Themen) arbeiteten sie Grundsätze aus. Am diesbezüglichen Bankengipfel nahmen 29 Institute teil, darunter auch Kreditversicherer und Leasingfirmen sowie Unternehmensberater. Die Grundsätze sind nicht rechtsverbindlich, werden aber – so Schiemer – von den Banken fast ausnahmslos mitgetragen.

Geregelt wird unter anderem, wie sich Gläubiger und Schuldner in der Standstill-Periode verhalten sollen – also in der Atempause, in der der Schuldner Lösungsvorschläge ausarbeitet und die Gläubiger diese prüfen. Alleingänge einzelner Gläubiger, um ihre Forderungen durchzusetzen, sind da verpönt. Der Schuldner wiederum darf nichts tun, was einzelne Gläubiger bevorzugt oder die Quote schmälert, und auch nicht mit Informationen geizen. Neben dem Stunden von Forderungen ist auch frisches Geld ein großes Thema: Bei beidem sollen sich grundsätzlich alle beteiligen, nicht nur die Hauptgläubiger. „Auch Kleine müssen dann ihren Teil beitragen, eben nach ihren Kräften und im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten“, sagt Höller. Organisatorisches wird ebenfalls geregelt, etwa die Rolle des Konsortialführers und der wirtschaftlichen Berater.

Wie realistisch ist aber die Hoffnung, durch solche Regeln mehr Unternehmen retten zu können? Das wird sich weisen. „Wenn Gläubiger Spielregeln vereinbaren, kann man das aber nur gutheißen“, sagt Kantner, eine Selbstbindung der Banken sei sinnvoll. Auch Details wie die Akzeptanz von Mehrheitsvoten oder die Definition von Obligo und Sicherheiten sollten vorab geklärt werden. Das erspare später mühsame Diskussionen.

Die Entscheidung, eine Restrukturierung mitzutragen oder nicht, muss am Ende trotzdem jeder Gläubiger für sich treffen. Und zwar innerhalb der rechtlichen Schranken. „Um etwa frisches Geld zu geben, braucht es eine tragfähige Fortbestehensprognose“, sagt Höller. Sonst steht – mit und ohne „Code of Conduct“ – das Thema Insolvenzverschleppung im Raum.

Auf einen Blick

Acht Grundsätze regeln künftig das Vorgehen von Banken bei Restrukturierungen. Sie stellen primär auf größere Fälle mit einem Gesamtvolumen ab rund 30 Mio. Euro ab, an denen mindestens drei Banken beteiligt sind. Zwei Annexe behandeln die Rolle von Warenkreditversicherern und Leasinggesellschaften. Die Regeln beruhen auf freiwilliger Akzeptanz.

DIE REGELN IM WORTLAUT:

www.schoenherr.eu/grundsaetze

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2013)

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